Güterwagen-Drehgestelle: Diamond

Version 3.03.99.1, Stand (Inhalt): 5. Dezember 2014

Inhaltsverzeichnis  - Diamond Hauptseite - Dänemark, Scandia 1886 - preussisch, VI d 7 1890 Schweden, Kockums 1891 - Norwegen, Skabo 1903 - preussisch, VI d 7 II. Auflage - Sachsen, 1899 (28 852) - Tender-Drehgestelle - Verbandsbauart, B 23 - Österreich, C VII 1 - ČSD, 1921 - amerikanisch/WK I - belgisch, 1924 - russisch, Fwg 269.04.3 - Schweden, Olsson 1951 - Y 11 M - Y 11 Mk (Castor-Transportwagen)andere Diamond-Drehgestelle - „Diamond - Rahmen gegossen“ (BA 964/Dok.Nr. 0964) - „Diamond - Rahmen gegossen“, Detailfotos - nächstes Kapitel - Impressum
 
 
Amerikanisches Diamond-Drehgestell, Teile
  Amerikanisches "Rigid" Diamond-Drehgestell aus dem Jahr 1912, Teile

  1. Radsatz, montiert, 2. Staubschutzscheibe für Achslager, 3. Achslager mit Deckel, 4. Achslagerschale, 5. Lagerschalenträger, 6. oberes Flacheisen, 7. unteres Flacheisen, 8. Verbindungs-Flacheisen, 
  9. Bremsbalken, komplett mit Bremsschuh und Aufhängung, 10. Bremssohlenkeil, 11. Bremssohle, 12. Federpaket, 13. Federunterlage, 14. Federplanke, montiert, 15. linke Verbindungssäule,
  16. rechte
Verbindungssäule, 17. - 21. Bremsbauteile, 22. Querträger, montiert, 23. Untergestell-Drehpfanne, 24. Drehgestell-Drehpfanne, 25. Gleitstück,
  26. Führung des Querträgers an den Verbindungssäulen

  Quelle: Kaminski, Edward S.: The Magor Car Corporation. Wilton, CA: Signature Press. 2000. (ISBN 1-930013-04-3)

Das Diamond-Drehgestell kann als das erste Universal Güterwagen-Drehgestell gelten. Aber so genial und einfach dieses Drehgestell aus heutiger Sicht erscheint, so wenig kann von "dem" Diamond-Drehgestell die Rede sein kann. Ausgehend von ersten Vorläufern, die sich in den USA bereits in der Mitte der Vierzigerjahre des 19. Jahrhunderts nachweisen lassen, wurde das Konstruktionsprinzip über Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt und modifiziert. Ab 1870 wurde praktisch jeder neue Güterwagen in den USA mit Diamond-Drehgestellen ausgestattet. Frühe Diamond-Drehgestelle enthielten noch etliche Bauteile aus Holz, z. B. den Querträger (bolster). Ab etwa 1895 setzten sich in den USA Querträger aus Stahl mehr und mehr durch. Das oben abgebildete Diamond-Drehgestell aus dem Jahr 1912 kann als typisch amerikanisches, aus Stahl gefertigtes "Rigid" Diamond-Drehgestell (rigid = steif, starr; nicht pendelnd, ohne Wiege) gelten.

Der für Diamond-Drehgestelle typische seitliche Fachwerkrahmen ist aus drei Flacheisen und zwei Verbindungssäulen (truck columns) gebildet. Die Last wird hauptsächlich durch das nach oben gewinkelte (obere) und das nach unten gewinkelte (unteren) Flacheisen übertragen, das Verbindungs-Flacheisen fixiert vor allem die Achslager. Die Achslagergehäuse sind starr, also ohne Längs- und Querspiel, mit den Flacheisen verschraubt und stellen über Achslager und Achswellen eine Querverbindung zwischen den beiden seitlichen Rahmen her. Die einzige feste Verbindung der beiden Seitenrahmen bildet bei der oben gezeigten "Rigid"-Ausführung die Federplanke (spring plank). Denkbar ist auch, dass diese Querverbindung durch einfache Winkelprofile gebildet wird, auf jeden Fall aber scheinen alle Diamond-Drehgestelle (im Gegensatz zu den Three Piece Bogies) eine solche feste Querverbindung zu haben.

Das so gebildete Laufwerk wird über einen Querträger mit dem Wagenuntergestell verbunden. Dieser Querträger ist gefedert und wird mit einem gringen Längs- und Querspiel von den Verbindungssäulen geführt.  Die Verbindungssäulen erfüllen bei diesem Drehgestell also einen dreifachen Zweck: a) Sie verbinden oberes und unteres Flacheisen miteinander und übertragen die Last vom unteren auf das obere Flacheisen, b) sie führen den Querträger vertikal, c) die dienen als Aufhängung für die Bremssohlen. 

Durch das Spiel und die Verwindbarkeit der Federplanke ergibt sich bei Gleisunebenheiten ein selbsttätiger Radlastausgleich - ähnlich wie bei den Three Piece Bogies (TPB, zu deren Funktion siehe: Funktionsweise der Three Piece Bogie. - Bitte benutzen Sie den "Back-Button" Ihres Browsers, wenn Sie von dort wieder auf diese Seite zurückkehren möchten.)

In Amerika wurden zwischen 1860 und 1890 ein großer Teil der Diamond-Drehgestelle mit einer Wiege ("swing motion") oder anderen Rückstelleinrichtungen ausgestattet. Es stellte sich jedoch heraus, dass die damit verbundenen Kosten und Risiken dien Vorteile bei relativ langsam laufenden Güterwagen deutlich übersteigen. Teilweise wurde daher mit Wiegen ausgerüstete Diamond-Drehgestelle ab 1891 wieder mit nicht pendelnden Drehpfannenträgern ausgerüstet. Auch in Europa wurden Diamond-Drehgestelle mit Wiege gebaut.
 
Schwed. Diamond-Drehgestell mit Wiege, 1891   Diamond Drehgestell, Schweden 1891
  mit Wiege ("svängbalk")
  Seitenrahmen aus drei Flacheisen und einem Verbindungseisen zusammengesetzt
  Spurweite: 891 mm  (ULJ = Upsala-Lenna Jernväg?)

  Quelle: 
  Museiföreningen Östra Skanes Järnvägar (Hrsg.): Jernvägs 
  Materiel. Ljunggrens Verkstad Aktiebolag. 
  Katalog No 5. 1891. Kristianstad, 1977

Sehr anschaulich und aufschlussreich sind die Teile und der Zusammenbau eines schmalspurigen Diamond-Drehgestell mit Wiege auf der Seite "New Trucks for SPC 472" (http://www.spcrr.org/NARFGrantWheels.html - zahlreiche Abbildungen, daher gegebenenfalls lange Ladezeiten) dargestellt. Organisiert und dokumentiert wurde dieser Drehgestell-Nachbau von der Society for the Preservation of Carter Railroad Resources, die in Fremont/Kalifornien die Geschichte der Firma Carter Brothers, des ersten industriellen Unternehmens in der Region, das unter anderem auch die Fahrzeuge der schmalspurigen South Pacific Coast Railroad gewartet hat.

Bei den Swing Motion-Diamonds sind die beiden Seitenrahmen nicht über die Federplanke (wie bei den Rigid-Diamonds), sondern prinzipiell über zwei vertikal stehende Querträger verbunden. An diesen festen Querträgern ist die Federplanke und auf dieser stehend die Federn und der Drehpfannenträger pendelnd aufgehängt.

Grundsätzlich sind bei Diamond-Drehgestellen lediglich die Drehgestellrahmen gegenüber dem Wagenkasten abgefedert (nicht die Achsen gegenüber den seitlichen Fachwerkrahmen, Ausnahmen siehe z. B. Tenderdrehgestelle).   Dabei finden in erster Linie Schraubenfedern (mit rundem, teils auch mit quadratischem Querschnitt) Verwendung. Die Schraubenfedern sind mitunter durch Kegelstumpffedern ersetzt worden. Gebräuchlich - vor allem in Mitteleuropa -  waren aber auch quergestellte Doppel-Blattfedern. In Blattfeder-Paketen reiben die einzelnen Federblätter aneinander und sorgen so für eine eine Selbstdämpfung. Diese Eigenschaft dürfte der Grund sein, weshalb auch Kombinationen von Schrauben- und Blattfedern vorkommen. Besonderheiten stellen längsgestellte Blattfedern und (zusätzlich, eine Primärfederung darstellende) federte Achslagergehäuse dar. (Zur Schwingungsdämpfung bei Schraubenfedern siehe: Schwingungsdämpfung bei Schraubenfedern).

Grundsätzlich weisen Diamond-Drehgestelle keine Kopfquerträger und eine nur einseitig wirkende Bremse auf. Mittels verlängerter Flacheisen oder relativ einfacher Anbauteile können Diamond-Drehgestelle auch mit zweiseitig wirkender Bremse und Kopfquerträgern, die die Konstruktion stabilisieren, konzipiert werden.

Insgesamt bestehen Diamond-Drehgestelle immer aus einer Vielzahl von Bauteilen, die lose oder nur verschraubt miteinander verbunden sind. Aus dieemGrund erfordern einerseits diese Drehgestelle häüfigere Inspektionen, andererseits sind sie daher aber auch relativ einfach zu warten und zu reparieren: ein Austausch von Teilen, beispielsweise der Radsätze (Heißläufer, Flachstellen) ist ohne Aufbocken des Wagens zur Not auch auf freier Strecke möglich; Reparaturen vieler Einzelteile können auch in einfach ausgerüsteten Werkstätten erfolgen.

Die Bezeichnung "Diamond" leitet sich von der Form ab, die zwei der Flacheisen zur Drehgestellmitte hin bilden: eine Raute, englisch "diamond". In Nordamerika hat sich diese Bezeichnung wieder verloren, gängig ist heute dort der Begriff "archbar truck".

Auf Grund der Laufeigenschaften, der relativ einfachen Wartung, wohl aber auch weil das Konstruktionsprinzip keinem Patentschutz unterlag, ist das Diamond-Drehgestell auf der ganzen Welt anzutreffen, auf russischen Breitspurgleisen ebenso wie auf südamerikanischen Feldbahnen.

Wann die ersten Diamond-Drehgestelle in Europa verwendet wurden, wird sich kaum klären lassen. Man kann aber davon ausgehen, dass in Europa etwa ab Mitte der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts Diamond-Drehgestelle serienmäßig gebaut baut wurden - womit nicht ausgeschlossen werden soll, dass auch schon zuvor solche Drehgestelle bei Werks- und Schmalspurbahnen oder bei Erprobungswagen verwendet worden sind.

Für den deutschen Raum sind die ersten serienmäßig gebauten Diamond- dieser Bauart bei preussischen Kohlewagen (OOmk, nach Musterblatt II d 7 alt, erstes Baujahr etwa 1890) belegt. Eine ähnliche, wenn nicht gar identische Ausführung wird bei den ab 1892 gebauten Schienenwagen (nach Musterblatt II d 6, S 07) verwendet. 1891 wird in Bayern ein Privat-Tiefladewagen mit Diamond-Drehgestellen gebaut, ab 1894 folgen dort zwei Bauarten von Schienenwagen und die nur innerdienstlich verwendeten Kohletrichterwagen. 1899 entstehen in Sachsen Schienenwagen, die auf Diamond-Drehgestellen laufen. Ab 1898 wird in Preussen der Schienenwagen nach Musterblatt II d 6 a in einer bis dahin nie gekannten Stückzahl gebaut und mit Drehgestellen nach Musterblatt VI d 7 II. Auflage ausgerüstet. Eine ähnliche Bedeutung kommt dem für den preußischen Tender 4 T 21,5 (Musterblatt III 5 l, verwendet bei P 8) zu. In wesentlich geringer Stückzahl gebaut wurde das Diamond-Drehgestell der Verbandsbauart (nach Zeichnung B 23) und das des preußischen Tenders  4 T 31,5 (Musterblatt III 5 m).

Im Zuge des Ersten Weltkrieges kamen mit den US-Kriegsgüterwagen amerikanische Diamond-Drehgestelle nach Europa. Weitere Diamond-Typen (eine russische und eine belgische Bauart) gelangten im bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg in den Bestand der Deutschen Reichs- bzw. Bundesbahn. (Top)

Besondere Bedeutung dürfte das Diamond-Drehgestell unter anderem in westeuropäischen Ländern (Frankreich, Belgien) gehabt haben. Noch 1960 war der größte Teil der belgischen Drehgestell-Flachwagen mit Diamond-Drehgestellen ausgerüstet.
In der ersten Hälfte der Sechzigerjahre wurde in Frankreich für die Rekonstruktion amerikanischer Flachwagen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges eine "moderne" Ausführung des Diamond-Drehgestells mit Rollenlagern, Dämpfungselement und Doppelbremsklötzen entwickelt. Dieses als Y 11 M bezeichnete Drehgestell wird in der Bauform Y 11 Mk für die in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre gebauten französischen Castor-Transportwagen verwendet.

Während die Diamond-Drehgestelle in den USA 1941 vom netzüberschreitenden Verkehr ausgeschlossen wurden, werden diese in Europa auch noch in den nächsten Jahren mit den Castor-Transportwagen regulär im Einsatz sein.

Bemerkenswert erscheint mir, was John H. White über die Zeit schreibt, in der neue Drehgestell-Konstruktionen das Diamond-Drehgestell zu verdrängen versuchten: "Der Methusalem der Drehgestelle erwies sich auf seine alten Tagen hin überraschend lebendig. Er hat in der Tat seine Kritiker überlebt - Charles Schoen und Samson Fox waren beide lange vor 1928 aus dem Rennen ausgeschieden und auch die Pressblech-Drehgestelle sind nach kurzer Popularität wieder aus der Mode gekommen. Aber, wie alle Veteranen wissen, ist ein Unterschied zwischen einem "long Indian summer" und dem ewigem Leben und die Zeit der großen Bedeutung der Archbars lief aus. (S. 469)" Gewiss ist die "Große Zeit" der Diamond-Drehgestelle vorbei, aber es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn auch noch im 21. Jahrhundert eines Tages ein Güterwagen auf neuen Diamond-Drehgestellen auftauchen würde: Der Methusalem der Drehgestelle ist so genial einfach und wandlungsfähig, dass er wohl noch manch anderes Drehgestell überleben wird.

Quellen:
AAR AXLE LOADING--TRUCKS (http://budb.freeyellow.com/arts/aar2.html)
Carstens, Stefan; Diener, Hans Ulrich: Güterwagen Band 3: Offene Wagen, S. Carstens, Hasloh, Flashorn 13 A, 1996
Coombs, Martin: The Railway of Patagonia. (http://www.railwaysofthefarsouth.org.uk/8frfirtstock.html)
Czygan, Franz: Die Eisenbahn in Wort und Bild. Nordhausen am Harz, 1928. S. 619
Deutsche Bundesbahn: Merkbuch für die Fahrzeuge der Reichsbahn/Deutschen Bundesbahn. IV. Wagen (Regelspur) DV 939d, Teil A, Ausgabe 1948 (Nachdruck)
Deutsche Bundesbahn, Zentralstelle Technik (Hrsg.): Die Güterwagen im Maßstab 1 : 100 - Stand 1950. Nachdruck anläßlich des 150jährigen Jubiläums der deutschen Eisenbahnen 1985. Mainz.
Deutsche Reichsbahn, Reichbahn -Zentralamt Berlin, Dezernat 28: Die Güterwagen der Regelbauart - Übersichtszeichnungen. Berlin 1945 (Originalzeichnungen auf CD-ROM, Herausgeber und Vertrieb: Schiffer, Viktor; Wuppertal und Janssens, Luc; Lier - Belgien)
Diener, Wolfgang: Deutscher Staatsbahnwagenverband, Teil 3: Vierachsiger Schienenwagen von 35 000 kg Ladegewicht und 15 m Ladelänge nach
Musterzeichnung A 3 (in: Eisenbahn Journal, Heft 1/1990, S. 68 - 72)
Haun, Herbert; Ossig, Rudolf: Schienenwagen SS 15 der Verbandsbauart. (in: Hp 1, Heft 1/94, S. 109 - 122)
Museiföreningen Östra Skanes Järnvägar (Hrsg.): Jernvägs Materiel. Ljunggrens Verkstad Aktiebolag. Katalog No 5. 1891. Kristianstad, 1977 (Nachdruck)
Kaminski, Kaminski, Edward S.: The Magor Car Corporation. Published December 31, 2000
NN: Die Rekonstruktion vierachsiger Plattformwagen der SNCF (in: Eisenbahntechnik, Jahrgang 14, Heft 9/1966, S. 437)
Österreichische Bundesbahnen, GD Ref. IV/1: Beilage zum Dienstbehelf 802. Verzeichnis der normalspurigen ÖBB-Güterwagen-Drehgestelltypen. Ausgabe Mai 1965 (Sammlung Hermann Heless)
Vandenberghen, Ir. J:: Het goederenmaterieel. SNCB, Departement Materieel, Brussel, (1987?)
White, John H. jr.: The American Railroad Freight Car. From the Wood Car Era to the Comming of Steel. John Hopkins University Press. Baltimore 1993
- weitere Quellen: siehe Folgeseiten

Den amerikanischen Güterwagenfreunden Keith Albrandt, Arthur H. Bonello, Albert Clemens, Philip Dove und Gene Green danke ich herzlich für Ihre Hinweise und Mithilfe. Ein nicht weniger herzlicher Dank geht an die vielen Eisenbahnfreunde, die mit ihren Informationen, Fotos und Materialien zum heutigen Stand dieses Kapitels beigetragen haben.
 
 



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