Güterwagen-Drehgestelle: Y 25 mit radial einstellbaren Radsätzen - DB Bauart 684, Einleitung
Version 1.02.103.1, Stand (inhalt): 28. Junii 2017 

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Einleitung - DB Bauart 684/1 (LHB) - DB Bauart 684/2 (Talbot)

verwandtes Thema:
Güterwagen-Drehgestelle: Dreiachsige - Y 25

In Hinblick auf die beabsichtigte Einführung der automatischen Mittelpufferkupplung und Erhöhung der Geschwindigkeit für Güterzüge auf 120 km/h ergab sich in den frühen 1960er Jahren die Notwendigkeit, das bisherige UIC/ORE Standard Güterwagen-Drehgestell (bei der DB als "BA 931 Minden-Dorstfeld" bezeichnet) weiter zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund präsentierte 1963 die SEAG (Siegener Eisenbahnbedarf AG, Vorläufer der WUS/Waggon Union Siegen) zunächst das "Drehgestell in H-Form" (spätere DB Bauart 887) mit 1,80 m Radsatzabstand, 920 mm Laufkreis-Durchmesser, längs- und querelastischer ("radial einstellbarer") Radsatzführung (Langschaken-Gehänge), konventionellem Achslagergehäuse, jedoch mit nur einstufiger Trapezfederung und lediglich für Höchstgeschwindigkeit von max. 100 km/h geeignet [1, S. 5]. Demgegenüber stand das von der SNCF entwickelte Drehgestell Y25.

Trotz der Bemühungen von DB und SEAG mit dem "Drehgestell BA 661/664 Minden Siegen" ein auch für 120 km/h geeignetes Drehgestell mit verwindungsweichem Rahmen eine Alternative anbieten zu können, wurde das Y25 (mit zweistufiger Schraubenfederung) im November 1967 von der UIC zum neuen Standard-Drehgestell erklärt.

Auf Grund der starren Radsatzführung im Y25 bevorzugten außer der DB auch verschiedene ausländische Bahnverwaltungen weiterhin das "Minden Siegen-Drehgestell" (z. B. SJ "G 66", RENFE: "ORE DBE"), das
bis weit in die 1970er Jahre hinein auch bei zahlreichen Privatwagen Verwendung fand.

Da an den Rahmen der Minden Siegen Drehgestellen schon nach kurzem Betriebsbeinsatz Festigkeitsprobleme auftraten, die auch mit größerem Aufwand nicht dauerhaft befriedigend behoben werden konnten, befasste sich die DB zusammen mit einschlägigen Herstellern ab 1971 mit der Neuentwicklung eines verbesserten Güterwagen-Drehgestells für 120 km/h und verbesserten Laufeigenschaften.

Während die Waggon Union Siegen mit der Weiterentwicklung des DB-Drehgestells mit Blatttragfedern befasste, beschäftigten sich die Mitwettbewerber Linke-Hofmann-Busch (LHB), Talbot und Wegmann mit der lauftechnischen Optimierung des Y25-Drehgestells und meldeten Patente auf modifizierte Ausführung der Schwingungsdämpfung an.

Von allen drei Unternehmen sollen Prototypen gebaut worden sein [2, S. 714], durch bislang vorliegende Berichte [3], Zeichnungen und Fotos sind jedoch nur die 1973 gebauten Ausführungen von LHB und Talbot belegt. Während die LHB-Prototypen die patentierte LHB-Dämpfung erkennen lassen, finden sich an den Talbot-Prototypen Elemente aus den Wegmann-Patenten. Ob es im Verlauf der Entwicklung zu einer Zusammenarbeit zwischen Talbot und Wegmann gekommen ist, liegt zu vermuten nahe, kann aber bislang nicht belegt werden.

Nach der Erprobung wurde das LHB-Drehgestell als DB Bauart 684 in einer Stückzahl von weniger als 250 Exemplaren in Serie gebaut, Die Talbot-Prototypen wurden zunächst abgestellt und gelangten 1980 unter neuen Oberleitungsbauwagen nochmals zum Einsatz. Im Betrieb hat laut Wolff [5, S. 28] auch die LHB-Ausführung nicht dauerhaft überzeugt, Wolff spricht von Problemen bei der Radsatzführung. Offensichtlich war bei beiden Ausführungen die Dämpfung der Querbewegungen nur mittels zusätzlicher elastischer Elemente möglich.

Bei der WUS entstand in diesem Zusammenhang 1974 das Drehgestell der Bauart 665 mit Trapzschakengehänge und Parabelfedern, 1978 brachte LHB mit dem Drehgestell LHB 78 ebenfalls ein Drehgestell mit Parabelfedern auf den Markt, das bis 1982 zum LHB 82 mit Kurzschakenaufhängung weiterentwickelt wurde.

Auch Talbot bot ab etwa 1982 eine Ausführung des Drehgestells Talbot R mit Parabelfedern an. Ab 1978 verwendete Talbot in Drehgestellen für Niederflurwagen des Kombinierten Verkehrs ("RoLa", Rollende Landstraße) Clouth-Gummiringfedern. Durch deren Verwendung in Form vom Doppelgummiringfedern in einem modifizierten, Y25-ähnlichen Rahmen entstand 1988 das Drehgestell Talbot DRRS.

Auf französischer Seite arbeitete die SNCF zusammen mit den Usines et Acieries de Sambre et Meuse (Sambre et Meuse/SM) ab 1973 an der Verbesserung der Laufeigenschaften des Y25 [4, S. 13]. Beide Seiten haben 1980 Patente auf ein Y25 mit radial einstellbaren Radsätzen angemeldet. 1984 rüsteten die SBB einen Versuchswagen mit einem solchen, von Sambre et Meuse gelieferten Drehgestell aus. Aus diesen Entwicklungen ging das von der UIC standardisierte Drehgestell Y25 Lsod hervor, auf dessen Grundlage Tatravagonka Poprad zunächst das TV P 2007 (mit Radsatzkoppelung/Kreuzanker, zur Dämpfung der Querkräfte) und in der Folge das auf der InnoTrans 2014 zunächst als Modell präsentierte TVP NG-DBS entwickelt hat.

In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre begann im Bereich der Deutschen Reichsbahn der VEB Waggonbau Niesky mit der Entwicklung eines auf dem Rahmen des Y25 basierenden Drehgestells mit radial einstellbaren Radsätzen, ein entsprechendes Patent wurde nach der Wende angemeldet. Nach der Übernahme durch Bombardier wurde statt diesem Ansatz in Niesky das bei DRRS-Drehgestell weiterentwickelt.


Quellen:
[1] Waggon Union Siegen: Weiterentwicklung DB-Drehgestell. Siegen, Juli 1974 (unveröffentlichte, zwölfseitige, maschinenschriftliche Aktennotiz, Kopie Slg. Westermann/G-D)
[2] Madeyski, Dr.-Ing. Thilo von: Die Güterwagen-Drehgestelle Y 25 und 665 (in: Eisenbahnbahntechnische Rundschau <27> Heft 11, 1978, S. 713 - 718)
[3] Deutsche Bundesbahn, AW Paderborn: Bericht zu Punkt 4 der Tagesordnung der 85. Beratung des Güterwagenbauausschusses. Stellungsnahme des GBA zum Güterwagendrehgestell für 120 km/h Geschwindigkeit und 20 t Achsfahrmasse DB 684 - Vergleich der Prototypen Talbot und LHB -. Paderborn, Dezember 1973(= unveröffentlichte sechsseitge maschinenschriftliche Stellungsnahme mit 4 Anlagen <Zeichnungen>, Kopie Slg. FVG)
[4] Daffos, Jean: Les développements du bogie Y 25 depuis 1971 (in: REVUE GÉNÉRALE DES CHEMINS DER FER, Janvier 1987, S. 5 - 15)
[5] Wolff, Gerd: EK-Güterwagen-Lexikon DB: Die vierachsigen Selbstentladewagen. Die Staubbehälterwagen. Freiburg 1994

- Waggon Union Siegen: Studie 91440, Siegen, Oktober 1973 (= Studie über die Weiterentwicklung des DB-Drehgestells 661/664 - 91440; internezwölfseitige maschinenschriftliche Aktennotiz mit neun Anlagen/Zeichnungen und einer Beifügung <Lohmann, Juni 1974>; Kopie BZA Minden/Slg. FVG)
- Lohmann, WUS: Blatttragfeder-Schakengehänge als Achsführung für Güterwagen-Drehgestelle. Siegen, Juni 1974 (in: WUS Studie 91440, Kopie BZA Minden/Slg. FVG, Digitalisat G-D)

Patente:
- Linke-Hofmann-Busch Waggon-Fahrzeug-MaschinenGmbH, Salzgitter-Watenstedt: Drehgestell für Schienenfahrzeuge, Aktenzeichen 1582 (= Patentschrift DE2160274; angemeldet am 4.12.1971/7.6.1973)
- Waggonfabrik Talbot, Aachen: Drehgestell für Schienenfahrzeuge, Aktenzeichen 12 724 (= Patentschrift DE2206290; angemeldet am 10.2.1972/6.9.1973)
- Wegmann & Co, Kassel: Achsfederung an einem Drehgestell für Schienenfahrzeuge, insbesondere Güterwagen (= Patentschrift DE2105162; angemeldet am 4.2.1971/10.8.1973)
- Wegmann & Co, Kassel: Achsfederung an einem Drehgestell für Schienenfahrzeuge, insbesondere Güterwagen (= Patentschrift DE2110072; angemeldet am 3.3.1971/6.9.1973)

- Usines et Acieries de Sambre et Meuse, Feignies (F): Suspension pour chassis à au moins deux essieux de véhicule de chemin de fer et chassis muni de cette suspension (= Patentschrift FR0035443, angemeldet am 29.2.1980/9.9.1981)
- Societe Nationale des Chemins de fer Francais, Paris: Agendement des suspension pour véhicules ferroviarires (= Patentschrift FR0035443, angemeldet am 17.9.1980/24.3.1982)


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