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Das Drehgestell der Bauart "887" ist in sofern keine richtige Gattung, weil es hier nicht um mehrere Bauarten geht, sondern nur um diese einzelne Bauart. Es ist in meinen Augen jedoch entwicklungsgeschichtlich so bedeutsam, dass ich es nicht unter der Rubrik "Andere Drehgestelle" abhandeln wollte.
Auf den ersten Blick sieht das "887" dem Minden Dorstfeld-Drehgestell in der Bauform mit zwei kreisförmigen Ausschnitten (und dem Drehgestell Talbot Typ R) täuschend ähnlich. Erst auf den zweiten Blick fallen die aus Rohren gebildeten Kopfquerträger und der nur 1,8 m betragende Achsabstand auf. Bei nochmaligem Hinsehen erkennt man, dass die Bremsschaulöcher tiefer liegen als beim Minden-Dorstfeld, etwa auf Höhe des Achsmittelpunktes.
Die Entwicklung des "887"
hängt eng mit den Vorbereitungen für die Einführung der
automatischen Mittelpuffer-Kupplung (AK) zusammen. Diese Kupplung erfordert
nicht nur, wie bereits bei den Minden Dorstfeld-Drehgestellen erwähnt,
einen bestimmten Hüllraum für den Einbau der Zug- und Stoßvorrichtungen
der Mittelpufferkupplung. Wagenneubauten sollten darüberhinaus einen
möglichst großen Drehzapfen-Abstand und somit einen möglichst
geringen Überhang (Entfernung Drehzapfen/Puffer) haben.
Um dies zu erreichen, wurde
unter anderem der Achsabstand im Drehgestell von 2,0 m auf 1,8 m verkürzt,
was durch die Verwendung von Rädern mit kleinerem Durchmesser (max.
920 statt bisher 1000 mm) möglich wurde.
Weil durch den angestrebt geringen Überhang die Drehgestelle den Kupplungsbereich tangieren, wurden die Kopfquerträger deutlich tiefer gelegt, bzw. beim "887" am Kupplungsende zunächst völlig weggelassen. Wegen dieses fehlenden Kopfquerträgers werden diese Drehgestelle auch "H-Form" genannt. Der Verzicht auf den Kopfquerträgerwar durch die zunächst vorgesehene Federbeinabstützung des Kupplungskopfes der Mittelpufferkupplung, die von den OECD-Bahnen favorisiert wurde, erforderlich. Nach dem die Federbeinabstützung aufgegeben wurde, waren tiefliegende Rohrquerträger auch am Kupplungsende wieder möglich.
Die "887" haben Federn, die an den Enden von 120 mm auf 90 mm eingezogen sind. Mit solchen Federn waren bereits einige Reichsbahn Güterwagen-Drehgestelle ausgerüstet (geschweißte Pressblech-Drehgestelle, Bauart Deutz, Einheitsbauart). Dadurch konnte seinerzeit der Achsschenkelmittenabstand von 1956 mm ohne Änderungen an der Konstruktion der Seitenwangen-Bleche beibehalten werden.
Im Zusammenhang mit den Minden Siegen-Drehgestellen gibt die DV 939 F für die Verwendung von Federn mit eingezogenen Federenden als Begründung die Umspurmöglichkeit (1435 mm/1524 mm Spurweite) an. Die "887" sind jedoch (wie auch die Minden Siegen-Drehgestelle, die ja ebenfalls keine Möglichkeit zur Umstellung der Bremsklötze auf die breitere Spur haben) nicht geeignet zur Aufnahme von Breitspurradsätzen. Die Verwendung von Federn mit eingezogenen Enden hatte vermutlich ihren Grund vor allem darin, dass dadurch für das Eintauchen der oberen Federschakensteine beim Querschwingen in die Seitenwangen-Bleche lediglich ovale Löcher eingeschnitten werden mussten. (Bei den später gebauten Drehgestellen mit geraden Federenden mussten die Seitenwangen in diesem Bereich eingedrückt beziehungsweise mit muschelartigen Kappen hinterlegt werden.
Entwickelt wurde das "887" in Siegen, erstmals gebaut im Jahr 1964 für den Taems 887. Ab 1965 wurden auch die Dienst-Schotterwagen der Bauart 267 damit ausgestattet.
Wohl recht bald wurde erkannt, dass mit dem Weglassen des äußeren Kopfquerträgers wohl doch zuviel eingespart wurde. Zwischen die von Anfang an vorhandenen Rohrstummel wurde das fehlende Zwischenstück nachträglich eingeschweißt. Vorstellbar ist, dass unter später gebauten Privatwagen auch "887" verwendet wurden, die von Anfang an beiden Seiten durchgehende Kopfquerträger hatten.
Bemerkenswert erscheint mir ferner, dass bei der Serienausführung des "887" sowohl die mittleren als auch die äußeren Federbockträger keine Pressblechteile sind, sondern aus Blechzuschnitten zusammengeschweißt sind. Wie es zu den auf der Fotoseite dargestellten Varianten des mittleren Federbockes gekommen ist, ist mir nicht bekannt. In der Vorserie hatten die "887" noch mittlere Federbockträger aus Pressblechteilen, ähnlich wie die Minden Dorstfeld-Drehgestelle.
Weshalb die Drehgestelle der Bauart "887" in die große Drehgestell-Austauschaktion in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre einbezogen wurden, ist nicht richtig nachvollziehbar. Dies hat aber dazu geführt, dass diese Drehgestelle heute nur noch in besonderen Ausnahmefällen angetroffen werden.
Quelle:
Merkbuch für die Schienenfahrzeuge
der Deutschen Bundesbahn. Güterwagen. Band 2. DV 939 F, Januar 1967
Rose, Rolf D., Braunschweig:
Persönliche Mittleilungen