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In der Drehgestell-Gattung Minden Siegen finden die konstruktiven Veränderungen, die das "887" vom Minden Dorstfeld unterscheiden nun auch ihren augenscheinlichen Ausdruck.
Die Entwicklung der Minden Siegen-Drehgestelle steht in Zusammenhang mit dem zweiten Güterwagen Standardisierungs Programm der UIC in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre. "Aus preislichen Gründen sollte ein Drehgestell leichter und fertigungstechnisch günstiger als das der BA 887 gebaut werden. Hier bot sich die Möglichkeit, vom ausschließlichen Schweißen der Drehgestellrahmen abzugehen und auf eine Preßform überzugehen." (Deutsche Bundesbahn, Bundesbahn-Sozialamt, Forschungs- und Versuchscenter für das betriebliche Bildungswesen: Merkblatt Drehgestelle der Güterwagen. Mai 1976)
Die aus Pressblech gefertigten Seitenwangen mit den großdimensionierten, trapezförmigen Ausnehmungen sind denn auch das Hauptmerkmal der Minden Siegen-Drehgestelle - und die Ursache für fast zahllose Varianten und Konkurrenzentwicklungen.
Äußeres Kennzeichen aller Minden Siegen-Bauarten und Varianten sind die durch eingepresste Kanten versteiften Ausnehmungen. Um Gewicht zu sparen, wurden diese Ausnehmungen zunächst sehr groß ausgeführt. Darüberhinaus waren an einigen Drehgestellen ovale Ausnehmungen über der Angriffsstelle des Hauptquerträgers in den Seitenwangen vorhanden.
Sichtet man die Baudaten von Minden Siegen-Drehgestellen genauer, zeigt sich, dass bei späteren Ausführungen die Ausnehmungen verkleinert bzw. weggelassen und die Rahmenwangenkanten im unteren Bereich durch zusätzliche Pressblech-Bauteile verstärkt wurden. Diese Verstärkung der unteren Rahmenwangekante wurde nachträglich auch bei früher gefertigten Minden Siegen-Drehgestellen vorgenommen.
Bei der Deutschen Bundesbahn
gab es zunächst zwei Bauarten der Minden Siegen-Drehgestelle: BA "661"
und "664", wobei sich die BA "664" von der BA "661" dadurch unterschied,
dass nahezu die komplette Bremseinrichtung in das Drehgestell integriert
war und es durch die automatische Lastabwiegung (Wiegeventils, automatische
lastabhängige Bremse) sowie Doppelbremsklötzen für eine
Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h geeignet war. Dazu ist anzumerken,
dass später auch Drehgestelle der Bauart "661" durch eine Änderung
der Bremsanlage auch ohne ALB-Bremsvorrichtungen (ähnlich wie bei
den Minden Dorstfeld) mindestens im Leerlauf auch für 120 km/h zugelassen
waren.
Weder aus den Skizzen noch
aus der Beschreibung in der DV 939 F geht ein weiterer Unterschied, den
es dem augenscheinlichen Befund nach gegenüber dem "661" gegeben hat,
nicht hervor: Mindestens ein Teil der "664" hatten "Ziehl'sche Federn".
Die "Ziehl'sche Feder" sorgt, so weit ich das verstanden habe, dafür,
dass die Bremsklötze im gelösten Zustand nicht an der Lauffläche
der Räder reiben. Bei jüngeren Drehgestellbauarten - und bei
der BA "661" (!) - sind die Bremsklötze "im Schwerpunkt" aufgehängt,
so dass sie ohne weitere Vorrichtung im gelösten Zustand von der Lauffläche
genügend Abstand halten.
Vermutlich um das Jahr 1973
entstanden die von der Deutschen Bundesbahn als BA "661.1" und "664.1"
bezeichneten Varianten.
In der DV 939 F (April 77)
wird die Kunststoffeinlage in der Drehpfanne als Unterschied zu den Vorgängerbauarten
hervorgehoben. Diese Kunststoffeinlage erübrigt die Schmierung der
Drehpfanne, so dass entsprechende Schmiergefässe am Wagenuntergestell
weggelassen werden konnten. (Bohrungen an den entsprechenden Stellen belegen,
dass später auch andere Drehgestelle mit solchen Kunststoffeinlagen
versehen und die Schmiergefäße abgebaut wurden).
Nur indirekt und aus der
Zeichnung ergibt sich, dass sich die beiden Varianten noch durch ein anderes,
wesentlich augenscheinlicheres Element unterscheiden: die "661.1" und "664.1"
haben wieder Blattfedern mit geraden Federenden - wie die Minden Dorstfeld!
Ende der siebziger Jahre entstand eine optisch mit den "661.1" identische, materialmäßig aber wohl nochmals verstärkte Variante für Privatwagen, die Bauart "WU 80", die seit 1995 auch unter der Bauartnummer "572" geführt wird.
Trotz verschiedener Maßnahmen, die Minden Siegen-Drehgestelle zu verstärken, traten ab Mitte der Neunzigerjahre verstärkt Risse an den mittleren und äußeren Federböcken, den Querträgern und an den Seitenwangen-Ausschnitten auf. Dies führte dazu, dass sich nach 1996 die SNCF und andere Bahnen weigerten, Wagen mit Drehgestellen der Bauarten 661, 664 und 887 anzunehmen. Im weiteren Verlauf entschloss sich die Deutsch Bahn, alle Drehgestelle der genannten Bauarten - auch die unter Privatwagen eingesetzten - gegen andere Drehgestelle zu tauschen. Die Tauschaktion war im wesentlichen Mitte des Jahres 2000 abgeschlossen.
Von der Tauschaktion nicht betroffen sind die Drehgestelle der Bauart "572/WU 80". Sie sind weiterhin im Einsatz und unter betriebsfähigen Güterwagen anzutreffen.
Quellen:
Carstens, Stefan: Die Güterwagen
der DB AG. Nürnberg 1998
Deutsche Bundesbahn: Merkbuch
für die Schienenfahrzeuge der Deutschen Bundesbahn. Güterwagen.
Band 2. DV 939 F, Berichtigung 11, April 1977
Deutsche Bundesbahn, Bundesbahn-Sozialamt,
Forschungs- und Versuchscenter für das betriebliche Bildungswesen:
Merkblatt Drehgestelle der Güterwagen. Mai 1976
Wagenmacher, Fred D.: Tausch
der Drehgestelle Bauart 661 und 664 bei 5614 Wagen von DB Cargo. (in: Güterwagen
Correspondenz 76/77, September 2000, S. 134 - 143)