Güterwagen-Drehgestelle mit Wiege: Kühlwagen

Version 8.01.87.1, Stand: 31. Juli 2010

Inhaltsverzeichnis - Gummifeder-Drehgestelle - Drehgestelle mit Wiege - Aluminium-Drehgestelle - Impressum

Drehgestelle mit Wiege - Hauptseite - Görlitz (2600 mm Achsstand) - Kühlwagen - Schlieren - WUS/Opel, BA 701, 2. Besetzung

Kühlwagen Hauptseite - Dessau 48 - Görlitz Dessau 54 - ZMW Dessau - Typ B 1 (Dessau 65) - Typ B 2 (Niesky 66) - Görlitz V

Vorbemerkung - Kühlwagen-Entwicklung in den Ostblockstaaten - Zusammenfassung

Vorbemerkung
Auf den ersten Blick erscheint es plausibel, dass Kühlwagen, mit denen ja leicht verderbliche Waren transportiert werden, eine schnellere Beförderung verlangen als konventionelle Güterwagen und von daher mit entsprechend schnelllaufenden Laufwerken beziehungsweise Drehgestellen ausgerüstet sein müssen. Aber: in einem regulären Güterzug kann ein "schneller" Kühlwagen auch nicht schneller befördert werden als konventionelle Güterwagen.

Bis in die Vierzigerjahre hinein wurde denn zwar das Laufwerk von Kühlwagen so ausgelegt, dass diese bei Bedarf auch in Reisezüge eingestellt werden konnten. Betrieblich ist aber das Beistellen und Abziehen solcher Wagen an und von Reisezügen mit erheblichem Aufwand verbunden und nur unter besonderen Bedingungen realisierbar, wenn die Wagen langfristig planbar regelmäßig in festen Relationen verkehren (beispielsweise bei Milchtransporten zur Versorgung von Großstädten).
Im größtenteils kleinräumig strukturierten und engbesiedelten Europa besteht grundsätzlich kein Bedarf für einen betrieblich gesonderten Kühlverkehr (zu geringe Transportmengen, relativ geringe durchschnittliche Transportentfernungen, dezentrale Verteilungsstrukturen, saisonale Gebundenheit der Transporte, relativ hohe Geschwindigkeiten auch im Güterverkehr). Dementsprechend hatten die nach dem Krieg in Westeuropa gebauten Kühlwagen generell konventionelle Güterwagen-Laufwerke oder -Drehgestelle.


Kühlwagen-Entwicklung in den Ostblockstaaten
Dass in Mitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg dennoch spezielle Drehgestelle für Kühlwagen entwickelt und gebaut worden sind ist nur durch die besonderen Gegebenheiten der osteuropäischen RGW-Staaten (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) zu erklären. Die Waggonfabrik Dessau war von 1946 bis 1952 ein SAG-Betrieb (Sowjetische Aktiengesellschaft) und hatte als solcher in erster Linie Reparationsleistungen für die Sowjetunion zu erbringen. Im Rahmen der Arbeitsteilung der RGW-Staaten war die Waggonfabrik Dessau (VEB Waggonbau Dessau) zuständig für Entwicklung und Bau von Kühlwagen und Kühlzügen und wurde zu so zum weltweit bedeutendsten Kühlwagen-Hersteller. Näheres dazu findet sich auf Matthias Palmers Seite: http://www.kuehlwaggon.de)

Maßgeblich für den gesamten Entwicklungsprozess im Kühlfahrzeugbau der DDR waren und blieben die besonderen Forderungen und Bedingungen der Sowjetischen Eisenbahnen. Angesichts der beträchtlichen Transportentfernungen (durchschnittlich 3000 km), die in der Sowjetunion zurückzulegen sind, ist klar, dass diese Transporte, zunächst ja lediglich in Eisekühlwagen, möglichst schnell erfolgen musste. Für solche Geschwindigkeiten dürften die damals in der Sowjetunion gebräuchlichen Three Piece Bogies kaum geeignet gewesen sein. In Dessau hat man daher bereits in den Vierzigerjahren ein Kühlwagen-Drehgestell entwickelt. Für weitere Lieferungen in die Sowjetunion und nach China (via sowjetischer Breitspurgleise) wurde spätestens in den Sechzigerjahren ein weiteres Kühlwagen-Drehgestell entwickelt.

Die höheren Geschwindigkeiten, die diese Drehgestelle erlaubten, ließen sich freilich nur realisieren, wenn die Kühlwagen nicht im Verband mit konventionellen Güterwagen, sondern gesondert, also in Kühlwagen-Ganzzügen, verkehrten. Da die Kühlleistung (oder gegebenfalls auch die Warmhaltefähigkeit) normaler Kühlwagen ("Eiskühlwagen") sehr begrenzt ist, wurden bereits 1951 Kühlzüge, bestehend aus Generatorwagen, Kältemaschinenwagen und einer Anzahl normaler Kühlwagen, die vom Maschinenwagen aus mit Kühlsole versorgt wurden, gebaut. Ab den Sechzigerjahren setzten sich die Kühlzüge aus Maschinenkühlwagen und Dieselmannschaftswagen zusammen. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass alle in die Sowjetunion und nach China gelieferten Kühlzugwagen mit solchen Kühlwagen-Drehgestellen ausgestattet waren.

Ähnliche Kühlzüge wurden auch für europäische RGW-Länder in Normalspur gebaut, insbesondere für Rumänien und Bulgarien. In den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren waren auch bei den Normalspur-Kühlzügen alle Wagen mit Kühlwagen-Drehgestellen ausgerüstet, später liefen die eigentlichen Kühlwagen dieser Züge in der Regel auf konventionellen Güterwagen-Drehgestellen (Bauart Niesky, später: Y 25). Lediglich für die Mannschaftswagen und die Maschinenkühlwagen mit Begleiterabteil, in denen sich die Bedienmannschaft während der gesamten Fahrt aufhielt und auch schlief, waren Drehgestelle erforderlich, die mehr Laufruhe und Fahrkomfort gewährleisteten.

Die Eiskühlwagen der Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre wurden teils mit Kühlwagen-Drehgestellen (z.B. für die CSD), teils mit konventionellen Güterwagen-Drehgestellen ausgestattet.


Zusammenfassung
Die Entwicklung von speziellen Kühlwagen-Drehgestellen in der DDR war durch die Forderungen und Bedingungen der Sowjetischen Eisenbahnen bestimmt. Auf Grund politischer Gegebenheiten wurden ähnliche Kühlverkehrs-Strukturen auch in anderen Ostblockstaaten aufgebaut. Für Breit- und Normalspur wurden unterschiedliche Kühlwagen-Drehgestelle entwickelt. Während ein großer Teil der Breitspur-Drehgestellen wenigstens für die Überführung mit Normalspur-Radsätzen ausgestattet werden konnten, waren die Normalspur-Drehgestelle in der Regel nicht für den Übergang auf russische Breitspur ausgelegt. Dem ersten Breitspur-Drehgestell folgte Anfang der Sechzigerjahre ein erheblich verbessertes Drehgestell. Das Normalspur-Drehgestell folgte von Anfang an den Konstruktionsprinzipien von Reisezugwagen-Drehgestellen. Spätestens ab Beginn der Siebzigerjahre wurde das für Reisezugwagen entwickelte Drehgestell der Bauart Görlitz V für Dieselmannschaftswagen und Maschinenkühlwagen mit Begleiterabteil verwendet, während die eigentlichen Kühlwagen mit konventionellen Drehgestellen ausgerüstet wurden.
 

Quellen (auch zu den auf den Folgeseiten vorgestellten Drehgestell-Bauarten):
Berthel, Klaus: Neuentwicklungen von Reisezug- und Kühlwagen-Drehgestellen in der DDR. (in: Deutsche Eisenbahntechnik, Jahrgang 15, Heft 5/1967, Seite 216 - 219)
Deinert, Werner: Eisenbahnwagen. Berlin, 1985, 5. Auflage
Deutsche Bahn, Geschäftsbereich Werke: Modul 984 03 Güterwagen und Container instandhalten - Drehgestelle - gültig ab 01.10.1995
Deutsche Reichsbahn, VES-M Halle: Lauftechnische Erprobung von Versuchsdrehgestellen zur Entwicklung der Einheitsdrehgestelle Typ B 2. Auftrag 107/66. Vom 23. 5. 67. (Archiv des  VEB Waggonbau Dessau im Archiv des Bombardier-Werkes Ammendorf, Sammlung Matthias Palmer)
Kohlmann, Peter; Kahl, Siegfried (VEB Waggonbau Görlitz): Reisezugwagendrehgestelle aus Görlitz. (in: Eisenbahn-Jahrbuch 1973, Berlin 1973, S. 106 - 111)
Lampe, Gerhard; Fritzsche, Wolfgang; Schubert, Christian: Die Erzeugnisse des VEB Waggonbau Dessau auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1966. (in: Deutsche Eisenbahntechnik, Jahrgang 14, Heft 3/1966, Seite 138-142)
Palmer, Matthias: Persönliche Informationen
 


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