Güterwagen-Drehgestelle: Three Piece Bogies - Henricot, Henricot Eurospeed

Version 5.01.88.1, Stand: 6. Oktober 2011

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TPB Hauptseite - Funktionsweise der Three Piece Bogies - (Diamond) - Bettendorf - Rheinmetall, 1924 - Russland, 1940 - Arbel-Diamond - Andrews - Henricot  - ANF 25 - Scheffel

Der Name "Henricot" steht für eine Gießerei südwestlich von Brüssel, in der spätestens ab den 1950er Jahren unter anderem auch Teile für Drehgestelle, insbesondere für Three Piece Bogies, gegossen wurden.

Der 1885 von Emile Henricot in Court-Saint-Etienne übernommene Betrieb und das später als "Usines métallurgiques Emile Henricot" (UEH) bezeichnete Unternehmen hat sich nicht zuletzt durch die Beteiligung am Bau des Bathyscaphe, mit dem Auguste Piccard die Tiefen der Meere erkundet hat, einen Namen als Hersteller hochwertiger Stahlguss-Erzeugnisse gemacht.

Im Zusammenhang mit Eisenbahn-Technologie sind zwei Betriebszweige dieses Unternehmens bedeutsam: zum einen die Herstellung von automatischen Kupplungen (in etwa ähnlich der Scharfenberg-Kupplung) und  zum einen der Fertigung von Drehgestellen oder Drehgestell-Bauteilen.

An dieser Stelle sind die von Henricot gefertigten Drehgestelle von besonderem Interesse.

Man kann davon ausgehen, dass in Mitteleuropa bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Drehgestellen mit Guss-Stahlrahmen  - vorsichtig ausgedrückt - mit größter Skepsis begegnet wurde (im Klartext: es gibt bis heute kein Guss-Stahl-Drehgestell, das auf Betreiben der Deutschen Bahn, ihrer westdeutschen Vorgänger- oder späteren Nachfolge-/Tochterunternehmen entwickelt worden wäre). Demgegenüber waren westeuropäische, insbesondere belgische Unternehmen - allen voran Gregg - dem amerikanischen Markt offensichtlich weitaus aufgeschlossener.

Vielleicht ist im Schlepptau von Gregg auch Henricot auf die "amerikanischen" Three Piece Bogies mit ihren gegossenen Rahmen aufmerksam geworden, vorstellbar ist eine ganze Reihe von Szenarien einer solchen Zusammenarbeit.
 
  Henricot-Drehgestell 
  mit integrierten SKF-Achslagergehäusen

  Foto: Werkfoto Usines Emile Henricot
  (Usines Emile Henricot: Katalog 1958, Kapitel 
  " Pièces en acier coulé pour chemins der fer", 
  Seite 10)

Fakt ist, dass Henricot spätestens seit den Fünfzigerjahren Three Piece Bogies nach amerikanischen Vorbildern im Katalog angeboten und gefertigt hat. Für die Verwendung unter konventionellen Wagen wurden diese Drehgestelle seinerzeit weder in West- noch in Osteuropa wirklich in Betracht genommen. Anders lagen die Verhältnisse offensichtlich jedoch, wenn es um Wagen für besondere Einsatzzwecke, zum Beispiel Gleisbauarbeiten, ging. Unter diesen Umständen waren die Verantwortlichen offenbar eher geneigt, den Vorzügen der Three Piece Bogies (Ausgleich von Gleisunebenheiten), Vertrauen zu schenken.
 
Henricot-Drehgestell unter Gleisbaumaschine, Foto: Hans Nahon   Henricot-Drehgestell
  beachte: Dämpferelement neben Schraubenfeder
  unter dem Querträger

  verwendet bei einer Schotterbett-Reinigungs-
  maschine, Einsteller: Strukton
  Foto: Hans Nahon, Roosendaal, 20. Februar 2004


 
Henricot-Drehgestell, angetrieben; Foto: Hans Nahon   Henricot-Drehgestell mit Antrieb
  beachte: hydaulische Dämpferelemente

  verwendet bei Bettungsreinigungsmaschine 
  Plasser und Theurer RM 80, beschafft 1982

  Foto: Hans Nahon, Roosendaal, 11.10.2004 

Henricot-Drehgestell, mit Dämpfungselementen; Foto: Thomas Linberg   Henricot-Drehgestell 
  mit hydraulischen Dämpferelementen

  verwendet bei 
  Gleisbauwagen 99 81 A-RTS  9428 001-7
  (= Teil des Swietelsky SUZ 350)

  Foto: Thomas Linberg, Salzburg, 30. 09. 2011

Three Piece Bogies aus den Werkstätten von Henricot wurden nicht nur unter Gleisbaumaschinen, sondern auch unter Tendern verwendet werden und Erzwagen der Malmbahn verwendet. Außerdem hat Henricot eine Bauform entwickelt, die sich deutlich von klassischen Three Piece Bogies unterscheidet, das "Henricot Eurospeed"
 
 
Henricot Eurospeed, Seitenansicht; Foto: Bengt Dahlberg   Henricot Eurospeed, Seitenansicht
  (Drehpfannenträger im Kopfbereich gekappt,
  beachte: Anschlüsse für Wiegventil)

  Foto: Bengt Dahlberg, Fjällbo bei Göteborg 
  ca. 1996


 
Henricot Eurospeed, Stirnansicht; Foto: Bengt Dahlberg   Henricot Eurospeed, Stirnansicht
  (Bremsanlage ausgebaut)

  Foto: Bengt Dahlberg, Fjällbo bei Göteborg 
  ca. 1996

Auffallend sind zunächst die fast schwanenhalsförmigen Seitenwangen der Henricot Eurospeed-Drehgestelle. Der Drehpfannenträger liegt auf den Seitenwangen auf und wird nicht wie bei konventionellen Three Piece Bogies von den Seitenwangen umschlossen. Bei einem Tausch der Radsätze müssen die Seitenwangen nicht demontiert werden. Nach Lösen der halbkreisförmigen "Achshalterstege" kann das Drehgestell von den Radsätzen abgehoben werden. Die obenstehenden Abbildungen lassen erkennen, dass die Räder ursprünglich zweiseitig gebremst waren. In der Seitenansicht sind rechts vom Drehpfannenträger Anschlüsse und Leitungen zu erkennen, die darauf hindeuten, dass diese Drehgestelle außerdem mit einem Wiegeventil ausgestattet waren.

Bengt Dahlberg hat vor etwa 11 Jahren diese Drehgestelle in der Güterwagenwerkstatt Fjällbo bei Göteborg angetroffen. Offensichtlich wurden sie dort seinerzeit als Hilfsdrehgestelle benutzt. Für diese Zwecke wurde offensichtlich die Bremseinrichtungen ausgebaut, ein Teil erhielt darüberhinaus besondere Aufbauten.

Leider liegen zu diesen Drehgestellen bislang keine weiteren Informationen (Daten, Baujahr, Verwendung) vor.

1984 gingen die Usines Emile Henricot in Konkurs.

Quellen:
HISTOIRE DES USINES HENRICOT ET ORIGINE DU DEPOT DES ARCHIVES.
(http://www.patrimoine-stephanois.be/patrimoines/phistorique/archive_ueh_histo.htm)
Henricot, Usines Emile Henricot: Katalog 1958
 


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