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Der Name "Henricot" steht für eine Gießerei südwestlich von Brüssel, in der spätestens ab den 1950er Jahren unter anderem auch Teile für Drehgestelle, insbesondere für Three Piece Bogies, gegossen wurden.
Der 1885 von Emile Henricot in Court-Saint-Etienne übernommene Betrieb und das später als "Usines métallurgiques Emile Henricot" (UEH) bezeichnete Unternehmen hat sich nicht zuletzt durch die Beteiligung am Bau des Bathyscaphe, mit dem Auguste Piccard die Tiefen der Meere erkundet hat, einen Namen als Hersteller hochwertiger Stahlguss-Erzeugnisse gemacht.
Im Zusammenhang mit Eisenbahn-Technologie sind zwei Betriebszweige dieses Unternehmens bedeutsam: zum einen die Herstellung von automatischen Kupplungen (in etwa ähnlich der Scharfenberg-Kupplung) und zum einen der Fertigung von Drehgestellen oder Drehgestell-Bauteilen.
An dieser Stelle sind die von Henricot gefertigten Drehgestelle von besonderem Interesse.
Man kann davon ausgehen, dass in Mitteleuropa bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Drehgestellen mit Guss-Stahlrahmen - vorsichtig ausgedrückt - mit größter Skepsis begegnet wurde (im Klartext: es gibt bis heute kein Guss-Stahl-Drehgestell, das auf Betreiben der Deutschen Bahn, ihrer westdeutschen Vorgänger- oder späteren Nachfolge-/Tochterunternehmen entwickelt worden wäre). Demgegenüber waren westeuropäische, insbesondere belgische Unternehmen - allen voran Gregg - dem amerikanischen Markt offensichtlich weitaus aufgeschlossener.
Vielleicht ist im Schlepptau
von Gregg auch Henricot auf die "amerikanischen" Three Piece Bogies mit
ihren gegossenen Rahmen aufmerksam geworden, vorstellbar ist eine ganze
Reihe von Szenarien einer solchen Zusammenarbeit.
Henricot-Drehgestell
mit integrierten SKF-Achslagergehäusen Foto: Werkfoto Usines
Emile Henricot
|
Fakt ist, dass Henricot spätestens
seit den Fünfzigerjahren Three Piece Bogies nach amerikanischen Vorbildern
im Katalog angeboten und gefertigt hat. Für die Verwendung unter konventionellen
Wagen wurden diese Drehgestelle seinerzeit weder in West- noch in Osteuropa
wirklich in Betracht genommen. Anders lagen die Verhältnisse offensichtlich
jedoch, wenn es um Wagen für besondere Einsatzzwecke, zum Beispiel
Gleisbauarbeiten, ging. Unter diesen Umständen waren die Verantwortlichen
offenbar eher geneigt, den Vorzügen der Three Piece Bogies (Ausgleich
von Gleisunebenheiten), Vertrauen zu schenken.
Henricot-Drehgestell
beachte: Dämpferelement neben Schraubenfeder unter dem Querträger verwendet bei einer
Schotterbett-Reinigungs-
|
Henricot-Drehgestell
mit Antrieb
beachte: hydaulische Dämpferelemente verwendet bei Bettungsreinigungsmaschine
Foto: Hans Nahon, Roosendaal, 11.10.2004 |
Henricot-Drehgestell
mit hydraulischen Dämpferelementen verwendet bei |
Three Piece Bogies aus den
Werkstätten von Henricot wurden nicht nur unter Gleisbaumaschinen,
sondern auch unter Tendern verwendet werden und Erzwagen der Malmbahn verwendet.
Außerdem hat Henricot eine Bauform entwickelt, die sich deutlich
von klassischen Three Piece Bogies unterscheidet, das "Henricot Eurospeed"
Henricot Eurospeed,
Seitenansicht
(Drehpfannenträger im Kopfbereich gekappt, beachte: Anschlüsse für Wiegventil) Foto: Bengt Dahlberg,
Fjällbo bei Göteborg
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Henricot Eurospeed,
Stirnansicht
(Bremsanlage ausgebaut) Foto: Bengt Dahlberg,
Fjällbo bei Göteborg
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Auffallend sind zunächst die fast schwanenhalsförmigen Seitenwangen der Henricot Eurospeed-Drehgestelle. Der Drehpfannenträger liegt auf den Seitenwangen auf und wird nicht wie bei konventionellen Three Piece Bogies von den Seitenwangen umschlossen. Bei einem Tausch der Radsätze müssen die Seitenwangen nicht demontiert werden. Nach Lösen der halbkreisförmigen "Achshalterstege" kann das Drehgestell von den Radsätzen abgehoben werden. Die obenstehenden Abbildungen lassen erkennen, dass die Räder ursprünglich zweiseitig gebremst waren. In der Seitenansicht sind rechts vom Drehpfannenträger Anschlüsse und Leitungen zu erkennen, die darauf hindeuten, dass diese Drehgestelle außerdem mit einem Wiegeventil ausgestattet waren.
Bengt Dahlberg hat vor etwa 11 Jahren diese Drehgestelle in der Güterwagenwerkstatt Fjällbo bei Göteborg angetroffen. Offensichtlich wurden sie dort seinerzeit als Hilfsdrehgestelle benutzt. Für diese Zwecke wurde offensichtlich die Bremseinrichtungen ausgebaut, ein Teil erhielt darüberhinaus besondere Aufbauten.
Leider liegen zu diesen Drehgestellen bislang keine weiteren Informationen (Daten, Baujahr, Verwendung) vor.
1984 gingen die Usines Emile Henricot in Konkurs.
Quellen:
HISTOIRE DES USINES HENRICOT
ET ORIGINE DU DEPOT DES ARCHIVES.
(http://www.patrimoine-stephanois.be/patrimoines/phistorique/archive_ueh_histo.htm)
Henricot, Usines Emile Henricot:
Katalog 1958