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Drehpfanne - Daten UIC-Drehpfanne - Zum Begriff "Drehzapfen" - Drehpfannen-Einlage
Grundsätzlich besteht ein Drehgestellwagen aus einem Wagenkasten und zwei Drehgestellen. Dabei sind Drehgestell und Wagenkasten zur Übertragung von Gewichts-, Zug-, Schub- und Spurführungskräften in der Regel mit einem zentralen Gelenk verbunden. Dieses Gelenk muss in Fahrzeuglängsrichtung (x-Ebene) fest, in Fahrzeugquerrichtung (y-Ebene) drehbar sein. Außerdem muss in vertikaler Richtung (z-Ebene) mindestens ein gewisses Spiel gegeben sein, damit Gleisunebenheiten ausgelichen, Steigungsstrecken und Ablaufberge befahren werden können. Etwa ab 1900 lassen sich bei Wagen der preussischen Staatseisenbahnen kugelförmige Gelenke zur Verbindung von Drehgestell und Wagenkasten nachweisen.
Für diese kugelförmigen Gelenke hat sich die Bezeichnung „Drehpfanne“ eingebürgert.
Eine Drehpfanne besteht dabei
grundsätzlich aus drei Bauteilen:
a) oberer Drehpfanne (als
Bestandteil des Wagenkastens bzw. Wagenuntergestells)
b) untere Drehpfanne (als
Bestandteil des Drehgestells) und
c) Drehpfannenbolzen (als
zusätzliches Führungs- und Sicherungselement, seinerseits nochmals
mit Bügel und Splint gesichert).
Standardisierte Drehpfanne
für zweiachsige Güterwagen-Drehgestelle (mit eingekammerter Drehpfannen-Einlage) Quelle (bearbeitet): Müller, Lothar: Laufwerke von Eisenbahn-Güterwagen (in: Eisenbahn Ingenieur Kalender 1988), S. 198 |
Um die Tauschbarkeit der Drehgestelle zu gewährleisten, wurden von der UIC Mitte der 1960er Jahren die Hauptabmessungen und Bezugsmaße der Drehpfanne für zweiachsige Güterwagen-Drehgestelle standardisiert (UIC Merkblatt 510-1, Anlage B; „UIC-Kugeldrehpfanne“; vgl. DB Zeichnung 1Fwg 000.0.04.077.006).
Die Maße der Drehpfanne
leiten sich dieser Norm nach von einer gedachten ("virtuellen") Kugel mit
190 mm Radius ab, deren Mittelpunkt (bei 20 t Achsfahrmasse) 925 mm über
SO (plus/minus; franz.: „hauteur crapaudine“) liegt. Die Oberkante der
unteren Drehpfanne liegt 90 mm tiefer, also auf 835 mm über SO. Die
Oberkante der oberen Drehpfanne liegt 45 mm höher, also bei 880 mm
über SO - und damit 45 mm unter dem Mittelpunkt der Drehpfannenkugel
mit 190 mm Radius.
UIC Drehpfanne
(Radius, Höhe Drehpfannen-Mittelpunkt, Oberkante der unteren Drehpfanne) Grafik: Güterwagen-Drehgestelle/Jahn, Grundlage: Zeichnung Y 25 Lsd/UIC |
UIC-Drehpfanne
(Höhe Drehpfannen-Mittelpunkt,Oberkante der oberen Drehpfanne) Grafik: Güterwagen-Drehgestelle/Jahn , Grundlage: Zeichnung TVP 2007/TaPo |
Anmerkungen zu den Grafiken:
Die beiden Darstellungen
dienen ausschließlich der Veranschaulichung der Drehpfannen-Maße.
Sie können darüberhinaus nicht miteinander verglichen werden,
da ihnen unterschiedliche Schnittebenen zu Grund liegen und sie nicht maßstabsgerecht
wiedergegeben werden.
Das Richtmaß „925 mm“ über SO („hauteur crapaudine“) bezieht sich auf den (rechnerischen) Mittelpunkt der "Drehpfannenkugel". In Zeichnungen ist jedoch jedoch häufig nur die Höhe der Oberkante der unteren Drehpfanne (also 925 mm - 90 mm) eingezeichnet. Da in Dokumentationen aber mitunter die Höhe der Oberkante der oberen Drehpfanne (880 mm) angegeben ist, kommt es gelegentlich zu Unklarheiten und Missverständnissen.
Die Drehpfannenmaße
gelten auch prinzipiell auch für "finnland-fähige" Wagen mit
tauschbaren Drehgestellen und Drehpfannen-Verriegelung nach UIC Merkblatt
430-3.
Daten UIC-Drehpfanne
Anmerkung:
Die in der Tabelle genannten
Maße und Angaben verstehen sich als grobe Orientierungswerte ohne
Gewähr. In Bezug auf real existierende oder gebaute Wagen und Fahrzeuge
gelten in jedem Fall die entsprechenden Angaben von Hersteller/Werkstatt/Einsteller.
Zum Begriff Drehpfannenbolzen/"Drehzapfen"
Der Begriff "Drehzapfen"
taucht in der deutschsprachigen eisenbahntechnischen Literatur fast ausschließlich
in Zusammensetzung mit dem Grundwort "-abstand", also: "Drehzapfenabstand"
auf. Das damit bezeichnete Maß korreliert mit der Länge über
Puffer und dem Achs-/Radstand zweiachsiger Wagen, gibt also (bei Wagen
mit 2 Drehgestellen) in Wagenlängsrichtung den Mittenabstand zwischen
zwei Drehgestellen, zwischen den Mittelpunkten der beiden Drehpfannen,
an.
SJ-Drehgestell G
56 S
mit Drehkranz und integrierter Bremse, obere Drehpfanne mit Drehpfannenbolzen/Drehzapfen (beachte: entspricht nicht UIC Standard) Foto:
Ulf L Eriksson, 20. Mai 2005
|
Vermutlich ist der Begriff
"Drehzapfenabstand" aus dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch respektive
von amerikanischen Drehgestellen abgeleitet: "center pivot pin". Amerikanische
Drehgestelle (und deren Ableitungen, beispielsweise russische Drehgestelle)
haben eine flache Drehpfanne, auf der ein vertikal ausgerichteter Wellenstummel,
also ein "Zapfen" sitzt.
Flache Drehpfanne
mit Drehzapfen
links: "russische Drehpfanne" (DB Umsetz-Drehgestell BA 877 "Y 27 Mukran" DB 5 0125-4 A ; rechts: "amerikanische Drehpfanne ("Bettendorf", entsprechend DB BA 969) Foto (Ausschnitt) links: Bengt Dahlbert, Foto (Ausschnitt) rechts: Sammlung Hermann Heless |
Die frühen amerikanischen
Drehgestelle hatten nachweislich (s. White, John H., S. 434 ff.) noch keinen
im "Bolster" verankerten "center pivot pin", selbst in der Darstellung
der Teile eines Diamond-Drehgestells
aus dem Jahr 1912 ist der "pin"
zwar mit abgebildet, aber nicht als Bestandteil aufgeführt. Es ist
nicht ganz klar, ob der "pin" fest mit der unteren Drehpfanne verbunden
ist.
In der Beschreibung der
nach amerikanischen Vorbildern gebauten frühen württembergischen
Drehgestelle findet sich in diesem Zusammenhang der Begriff "Reibnagel".
In der Beschreibung der 1906 in Mailand ausgestellten Wagen finden sich
die synonym verwendeten Begriffe "Dreh- " und "Reibpfanne" sowie "Reibplatte"
(= seitliches Gleitstück) und "Drehzapfen".
Drehpfannen-Einlage
Bis Mitte der 1970er Jahre
war in Neubauwagen die obere Drehpfanne unmittelbar in der unteren gelagert.
In diesem Fall muss die Drehpfanne geschmiert werden. Zu diesem Zweck befindet
sich am Wagenuntergestell im Bereich der Drehpfannenträger ein Schmieröl-Behälter.
Drehpfanne ohne Einlage,
geschmiert 1) Behälter für Drehpfannen-Schmieröl Drehgestell-Bauart
Minden Dorstfeld
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Ab Mitte der 1970er Jahre
wurde bei Neubauten (z. B. DB BAen 661.1, 664.1) Drehpfannen mit eingekammerter
Kunststoff-Einlage verwendet, die keine Schmierung mehr erfordern. Da aber
durch den Kunststoff keine ausreichende elektrische Leitfähigkeit
zwischen Wagenkasten und Drehgestell gegeben ist, müssen diese Drehgestelle
mittels eines Leiters geerdet werden (Erdungskabel).
Drehpfanne mit Kunststoff-Einlage
1) Erdungskabel zwischen Wagenunter- und Drehgestell, bedingt durch Kunststoff-Einlage in der Drehpfanne Drehgestell-Bauart:
Y 25 Lsd
- 33 RIV 87 F(-NACCO)
780 9 140-9 Zacgns
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In der Folgezeit wurden auch
ältere Drehgestellwagen, die ursprünglich mit einer geschmierten
Drehpfanne ausgerüstet waren, mit Drehpfannen-Einlagen, die nicht
geschmiert werden müssen, ausgerüstet. Bei diesen Wagen wurden
in der Regel die Schmieröl-Behälter entfernt, so dass nur noch
Bohrungen (für Behälterhalterung, Schmieröl-Leitung) im
Rahmen auf deren früheres Vorhandensein hindeuten.
Drehpfanne mit nachgerüsteter
Kunststoffeinlage (eingelegt, nicht eingekammert)
1) Bohrungen für ursprünglich vorhandene Drehpfannenschmierung, 2) Erdungskabel links: Drehgestell-Bauart:
Talbot Typ R, EVA 33 80 791 5 490-6; Hameln, 29. August 2001, Foto: Hermann
Jahn
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