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Bei einem Eisenbahn-Radsatz
sitzen beide Räder fest auf einer Achse. Dadurch haben beide Räder
die selbe Umdrehungsgeschwindigkeit und legen grundsätzlich pro Umdrehung
die gleiche Wegstrecke zurück. In einem Gleisbogen ist jedoch der
Weg, den das äußere Rad zurückzulegen hat, weiter als der
des inneren Rades. Um diese Wegdifferenz ausgleichen zu können, hat
die Lauffläche eines Eisenbahn-Rades ein konisches (kegelstumpfförmiges)
Profil: Der Laufkreisdurchmesser ist an der Innenseite (vor dem Spurkranz)
größer als an der Außenseite.
Beim Einfahren in einen
Gleisbogen läuft der Spurkranz des bogenäußeren Rades gegen
den Schienenkopf der Außenbogen-Schiene an. Gleichzeitig läuft
das bogeninnere Rad von der Innenbogen-Schiene "weg". Das bogenäußere
Rad hat dabei auf Grund des konischen Laufflächen-Profiles einen größeren
Laufkreis-Durchmesser als das bogeninnere Rad und legt dadurch bei gleicher
Umdrehung - wie von der Gleisgeometrie gefordert - einen größeren
Weg zurück.
Beim Ausfahren aus einem
Gleisbogen müssen beide Räder zwangsläufig wieder die gleiche
Wegstrecke pro Umdrehung zurücklegen: Das vorher bogenäußere
(schnellere) Rad eilt dem gegenüberliegenden voraus, der Spurkranz
entfernt sich dadurch wieder vom Schienenkopf, der Laufkreisdurchmesser
wird kleiner, gleichzeitig wird das gegenüberliegende Rad mit dem
Spurkranz zum Schienenkopf hin gedrückt. Der Radsatz stellt sich also
selbst wieder auf Geradeauslauf ein (Lenkachsen-Prinzip).
Der Geradeauslauf ist jedoch
kein stabiler, statischer Zustand. Auch im geraden Gleis läuft stets
der Spurkranz eines Rades gegen den Schienenkopf an und läuft damit
schneller als der gegenüberliegende. Da dieser Geschwindigkeitsunterschied
ständig ausgeglichen werden muss, führt der Radsatz in der Geraden
eine dauernde pendelde, wellenförmige Bewegung aus. Bei genau konischem
Profil entspricht die wellenförmige Bewegung einer Sinuskurve ("Sinuslauf").
Die Länge einer Sinusschwingung ist von verschiedenen Faktoren, beispielsweise
von der Fahrgeschwindigkeit abhängig: Je schneller sich ein Radsatz
umdreht, desto größer ist die Schwingungsfrequenz.
Die hier für den freien Radsatz beschriebene Laufcharakteristik gilt auch für Radsätze, die mit Längsspiel in einem Laufwerk geführt werden (beispielsweise Laufwerke mit Blattfedern und Federgehängen mit Laschen oder Schaken). Hier erzeugt der Sinuslauf auf das Laufwerk wirkende Querkräfte. Um zu vermeiden, dass der Wagenkasten durch den Sinuslauf zu Resonanzschwingungen angeregt wird, müssen die Querkräfte bei höheren Geschwindigkeiten gedämpft werden.
Entsprechend den verschiedenen Faktoren, die den Sinuslauf eines Radsatzes bedingen, gibt es mehrere Möglichkeiten, das Aufkommen gefährlicher Resonanzschwingungen zu vermeiden. Seit den Fünfzigerjahren werden Güterwagen-Laufwerke in ihren maßgeblichen Komponenten (unter anderem Achsstand, Überhänge, Radprofile, Federgehänge) so aufeinander abgestimmt, dass " ... die Resonanzen bei niedrigen Geschwindigkeiten stattfinden, daher schnell durchfahren und gut gedämpft werden können" (Müller, Lothar: Laufwerke von Eisenbahn-Güterwagen. In: Eisenbahn Ingenieur Kalender 1988, S. 187). Ein solches Laufwerk wird "überkritisch" bezeichnet.
Ein wesentliches Kennzeichen
überkritischer Laufwerke sind lange, steilgestellte Schaken als Teil
des Federgehänges.