Güterwagen-Drehgestelle: Sonstiges -
Konstruktion: Formgebungsverfahren

Version 1.0*.70.1, Stand: 7. Februar 2006

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Zu den verschiedenen Verfahren, Drehgestelle aus Blechen herzustellen hat mir Rudolf Ossig folgendes mitgeteilt:

Es gibt mehrere verwandte Formgebungsverfahren, die alle ihre eigene Geschichte und Anwendungsgebiete haben: Schmieden, Pressen, Tiefziehen.

Beim Schmieden geht man von Knüppeln oder Brammen aus, die frei oder mit Hilfe von Gesenken in ihre endgültige Form gebracht werden. Beim Pressen werden dagegen Bleche, deren Stärke nicht verändert werden soll, mit Hilfe von Matrize und
Stempel verformt und beim Tiefziehen (das bei Folien gern verwendet wird) wird ähnlich verfahren, allerdings sind hier auch Änderungen der Materialstärke des Fertigteils gewollt.

Das Pressen ist an sich eine einfach aussehende Technik, dumm nur, dass man eben für jedes Teil einen eigenen "Formensatz" braucht - das macht es teuer und führt dazu, dass nicht jeder die Teile herstellen wird. Große Serien sind die Voraussetzung für wirtschaftlichen Einsatz. Deshalb erregte wohl auch um 1900 ein nur aus Pressteilen entstandener offener Wagen so viel Aufsehen - und setzte sich nicht durch. Ich denke, die Preussische Staatsbahn war einfach nicht daran interessiert, sich von einem einzigen Anbieter abhängig zu machen. Ohnehin dürfte auch die große Zahl unterschiedlicher Teile eine wirtschaftliche Herstellung verhindert haben. Sinn macht das Pressen dagegen bei einfach geformten Bauteilen, die für viele Anwendungen immer wieder benötigt werden (typisch: Stahlhelme...). Im Waggonbau wären das etwa die Federböcke bei den UIC-Wagen.

In einem Katalog der Waggon-Union Siegen gab es ein eigenes Kapitel über Pressteile, offenbar gab es in Dreis-Tiefenbach eine entsprechend bestückte Abteilung und das erklärt auch, wieso die Siegener ihre Drehgestelle damit geradezu überzogen...

Blechschneiden. Das geht mit Stanzen recht einfach und auch im 19. Jahrhundert war es kein Problem, bogenförmige Stanzwerkzeuge herzustellen. Auch hier spielt die Form des Bauteils (Radien der Ausschnitte, Gesamtgröße) eine wesentliche
Rolle für die Wirtschaftlichkeit. Man wird Bleche dann bevorzugen, wenn die Masse möglichst gering gehalten werden soll:  Walzprofile haben ja in den Kehlen Materialanhäufungen, die nicht zu vermeiden sind. Wenn man also ein Blech kanten
kann (ohne es an der Kante so zu belasten, dass es dort versprödet), vermeidet man diese Anhäufungen und spart so einige Prozent Material ein - bei den vielen Metern Profil im Waggonbau addiert sich das.

Blechzuschnitte als Wangen für Drehgestelle haben noch einen Vorteil: Sie benötigen weniger Nieten als wenn man die gleichen Wangen aus kleineren (= einfacher herzustellenden) Teilen zusammennieten müsste. Die einfachere Herstellung der kleinen Teile wird dann durch die zusätzlich erforderliche Masse der Nieten und die verlängerte Arbeitszeit wieder aufgewogen.

Wenn man also ein Blech hernimmt, die erforderlichen Ausschnitte ausstanzt und abschließend die Ränder kantet um die Steifigkeit zu erhöhen, erspart das viel Material, Zeit (damals nicht so wichtig) und vermeidet obendrein die Schwächung durch die vielen Bohrungen für die Niete.
 


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