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Drei- und Mehrachsige 1 "Laschen" - Drei- und Mehrachsige 2 "Schaken" - Drei- und Mehrachsige 3 "Y 25"
Blech und Winkel - Harkort - Innenrahmen, Blech und Winkel - Pressblech, genietet - Geschweißt - Pressblech, geschweißt (Einheitsbauart) - Niesky - Skandinavien
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Bauform A - Bauform B - Bauform C - Bauform D
Die Gattungsbezeichnung "Geschweißt" folgt dem Sprachgebrauch der DV 939. Sie ist insofern nicht ganz eindeutig, weil auch alle späteren Gattungen (Pressblech, Niesky, etc.) in Schweiß-Bauweise ausgeführt sind. Hier werden jedoch nur geschweißte Drehgestelle mit drei und mehr Achsen behandelt, die zwischen 1935 und dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt wurden. Auf Grund der bislang vorliegenden Informationen wird dabei vor allem auf in der DV 934 enthaltenen Tiefladewagen eingegangen. Es ist jedoch anzunehmen, dass es darüberhinaus auch andere Privatwagen und Dienstgüterwagen (zum Beispiel "Fahrbare Unterwerke u. a.) gegeben hat, für die die hier gemachten Aussagen ebenfalls zutreffen.
In der DV 934 von 1953 (mit
Nachträgen und Berichtigungen 1953/54) sind 71 bundesbahneigene und
13 Privat-Tiefladewagen mit drei- und mehrachsigen Drehgestellen verzeichnet,
für die "Geschweißte Bauart" angegeben ist oder angenommen werden
kann. Ein Teil der in der DV 934 enthaltenen Skizzen lässt gar keine
oder nur ungenaue Rückschlüsse auf die Bauart der Drehgestelle
zu. Die meisten mehrachsigen geschweißten Tiefladewagen-Drehgestelle
weisen jedoch Konstruktionsmerkmale auf, denen nach sie sich vier Baumuster-Gruppen
zuordnen lassen:
A) mit geteiltem, senkrechtstehendem
Federnbock und innen gelagertem Ausgleichshebel (ähnlich den genieteten,
vgl. Skizze 37)
B) mit geteiltem, schrägstehenden
Federnbock und außen gelagertem Ausgleichshebel (vgl. Skizze 301)
C) mit verbundenem, schrägstehendem
v-förmigem Federbock und außen gelagertem Ausgleichshebel (vgl.
Skizze 38)
D) mit MAN-Ausgleichshebel
Die Baumuster A bis C wurden von den Linke Hofmann Werken (LHW) entwickelt und gebaut. LHW war mindestens zwischen 1935 und 1944 der Hauptlieferant von Tiefladewagen für die Deutsche Reichsbahn.
Bauform A
Im Jahr 1935 haben die Linke
Hofmann Werke (LHW) als vermutlich erster Waggonhersteller Tiefladewagen
in geschweißter Ausführung gebaut (2-achsiger SSt 39 mit 55
t Tragfähigkeit nach Skizze 32, 8-achsiger SSt 41 mit 110 t Tragfähigkeit
nach Skizze 30, 10-achsiger Tiefladewagen mit 140 t Tragfähigkeit,
ähnlich SSt 42 nach Skizze 17). In den Beschreibungen dieser Wagen
wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch die Drehgestelle als
Schweißkonstruktionen ausgeführt wurden - die zugehörigen
Skizzen lassen jedoch große Ähnlichkeiten mit älteren Blech
und Winkel-Drehgestellen erkennen.
Geschweißtes
Drehgestell für SSt 41 mit 110 t Tragfähigkeit nach Skizze 30, Linke Hofmann Werke,
1935
Skizze: Hermann Jahn,
nach einer Zeichnung in: Steiger Verlag (Hrsg.): Eisenbahnwagen in Originaldokumenten:
eine internationale Übersicht aus |
Blech und Winkel
Drehgestell, Anordnung der Federböcke ähnlich wie bei dem oben
in der Skizze dargestellten geschweißten
Drehgestell
DR SSt 66-36-02; Foto: Günter Meyer, Aue (Sammlung Peter Driesch), 1963, Zwönitz |
Bei diesen Drehgestellen
ist der der mittlere Federbock geteilt ausgeführt und greift
senkrecht an der Unterkante der Seitenwangen an. Die Ausgleichshebel sind
innen gelagert. Diese Merkmale weisen auch die genieteten dreiachsigen
Drehgestelle des SSt 06 nach Skizze 22a (LHW, 1934) und die (wahrscheinlich
geschweißten) dreiachsigen Drehgestelle des SSt 40 nach Skizze 37
(LHW 1938, 1943) auf.
(Top)
Bauform B
Kennzeichen dieses Baumusters
sind die schrägstehenden Federböcke und die außen gelagerten
Ausgleichshebel. Diese Merkmale finden sich in folgenden Skizzen der DV
934:
Skizze 33:
8-achsiger Tieflade-Schemelwagen SSt 41, DB 980 815 a und b, LHW 1936 (siehe
unten)
Skizze 34a: 8-achsiger
Tiefladewagen 110 t Tragfähigkeit SSt 41, DB 980 822, LHW 1938
Skizze 301: 8-achsiger
Tiefladewagen 120 t Tragfähigkeit SSt 41, DB 980 841 (LHW 1939), DB
980 842 (LHW 1935), DB 980 843 (LHW 1939)
Skizze 302: 8-achsiger
Tiefladewagen 115 t Tragfähigkeit SSt 41, DB 980 856 und 857 (LHW
1939), DB 980 858 (LHW 1936), DB 980 859 (LHW 1940),
DB 980 860 (LHW 1939), DB
980 861 (LHW 1940), DB 980 862 und 863 (LHW 1941)
Skizze 303: 12-achsiger
Tiefladewagen 157,5 t Tragfähigkeit SSt 43, DB 981 211, SEAG 1938
Skizze 95: 10-achsiger
Privat-Tiefladewagen, 140 t Tragfähigkeit, Dortmund Hoerder Hüttenunion,
Essen 504 701 P, LHW 1937
Geschweißter
Tieflade-Schemelwagen, Baumuster B, vierachsig, nach Skizze 33
SSt 41, DB 980 815
a und b, (ex Köln 12 965 und 966) LHW 1936
|
Während bei den meisten
Drehgestellen (auch bei denen der Tiefladewagen) die Drehpfanne etwa in
Pufferhöhe liegt, sitzt die Drehpfanne der Tieflade-Schemelwagen nur
knapp oberhalb der Achswellen. Der Aufspanntisch hat eine Höhe von
lediglich 700 mm über Schienen-Oberkante (SO), liegt also deutlich
niederiger als die Rahmenoberkante. Dementsprechend tief sind auch die
Kopf- und Hilfsquerträger angeordnet. Da im Bereich des Obergurtes
keine Querverstrebungen möglich, ist die Seitenwange doppelwandig
ausgeführt, wobei aus der vorliegenden Zeichnung nicht ersichtlich
ist, wie die Innenwange gestaltet ist. Vermutlich sind zwischen den Innen-
und Außenwangen die Bremsklötze aufgehängt. Das Bremsgestänge
liegt laut Taschinger "zwischen den äußeren Wange des Rahmens
und den Rädern. Beide Bremsseiten sind durch eine tiefliegende Welle
verbunden ... Die beiden Bremszylinder und die Luftbehälter sind außen
am Rahmen angebracht". Bedauerlicherweise gibt die Zeichnung gibt keine
Hinweise auf die Ausführung der Hikg-Bremsanlage.
Schließlich sei hier
noch auf eine weitere Besonderheit dieser Fahrzeuge hingewiesen: Noch 1953
befanden sich diese im Bestand der Deutschen Bundesbahn (s. DV 934 und
WMD-Zeichnung). In "Behrends, Helmut; Hensel, Wolfgang; Wiedau, Gerhard:
Güterwagen-Archiv 1. Länderbahnen und Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft"
sind diese aber im Bestand der Deutschen Reichsbahn (Ost) mit der Wagennummer
31 50 999 0 006-2 nachgewiesen. Peter Driesch wies darauf hin, dass diese Wagen um 1985 zusammen mit anderen
wohl über einen Zwischenhändler aufgekauft wurden.
(Top)
Bauform C
1938 entstand bei LHW ein
weiterer 8-achsiger SSt 41 nach Skizze 34a (Tragfähigkeit 110 t, DB
980 822), bei dem der mittlere Federbock aus winklig gebogenen, v-förmig
angeordenten Blechzuschnitten besteht. Die Ausgleichshebel sind außen
gelagert, auf den Skizzen sind daher nur die Enden der Ausgleichshebel
erkennbar. Diese beiden Merkmale finden sich auch an weiteren drei-, vier-
und fünfachsigen LHW-Drehgestellen:
Skizze 38: 6-achsiger
Tiefladewagen 80 t Tragfähigkeit SSt 40, DB 980 611, LHW 1939
Skizze 304: 6-achsiger Tiefladewagen
80 t Tragfähigkeit SSt 40, DB 980 641, LHW 1939
Skizze 40: 12-achsiger
Tiefladewagen 140 t Tragfähigkeit SSt 43, DB 981 201 und 202, LHW
1938
Skizze 96: Privat-Tiefladewagen
80 t Tragfähigkeit, Dortmund Hoerder Hüttenunion, Essen 504 702 P, LHW 1938
Skizze 165: 12-achsiger
Privat-Tiefladewagen 140 t Tragfähigkeit, Schieß AG, Düsseldorf, Wuppertal 544 537 und 538, LHW 1939 (vgl. Skizze 40)
Skizze 47: 8-achsiger
Tiefladewagen 100 t Tragfähigkeit SSt 41, DB 980 826 (LHW 1944),
DB 980 827, LHW 1942
Skizze 114: 8-achsiger Privat-Tiefladewagen
Tragfähigkeit 100 t, Brown Boveri & Cie, Mannheim, Karlsruhe 547 084, LHW 1942
Skizze 146: 8-achsiger Privat-Tiefladewagen
Tragfähigkeit 100 t, Siemens-Schuckertwerke,
Nürnberg 521 149, LHW 1939
Skizze 251: 10-achsiger Schemelwagen Tragfähigkeit 100 t SSt 42, DB 981 011a und b, LHW 1941
Darüberhinaus waren
die ab 1954 gebauten SSt 49 (Uaaik 761, 18 Einheiten) sowie die 1964 von
der DR bei La Brugeoise beschafften SSt 66 (Dok-Nr. 6061) mit entsprechenden
dreiachsigen Drehgestellen ausgestattet.
Geschweißtes
Drehgestell, Baumuster C: v-förmiger Federbock, ungeteilt aus Blechzuschnitten,
außen gelagerter Ausgleichshebel
DB Uaai 816 (?), 31 80 999 0 302-9; Foto: Peter Driesch, 28. März 1981, Bochum-Ehrenfeld |
Vierachsiger Drehschemelwagen
(umgebaut aus Drehgestellen eines Flak-Geschützwagens); Seitenwange tiefer
heruntergezogen als beim oben gezeigten dreiachsigen Drehgestell, Anordnung und Ausführung der Federböcke und Ausgleichshebel ähnlich DB Uaai 794, 82 80 994 0 980-1; Foto: Peter Driesch, Hamburg-Wilhelmsburg, 9. Februar 1983 |
Geschweißtes
Drehgestell, Baumuster C, fünfachsig, nach Skizze 17; Drehgestell
und mittlere Radsätze wegen Revision ausgebaut.
Bemerkenswert ist an diesem Drehgestell, dass die Federn nicht mit Laschen, sondern mit kurzen Rechtsckschaken aufgehängt sind. DB Uaai 808 31 80 995 0 920-6 (ex SSt 17, ex SSt 42 DB 981 003, ex Köln 543 064 P), LHW 1943; Foto: Rudolf Ossig, Paderborn, 8. September 2001 |
Bauform D
In der Darstellung der geschweißten,
mehrachsigen Tiefladewagen-Drehgestelle taucht bislang immer wieder nur
ein Werk als Hersteller auf: die Linke Hofmann Werke in Breslau. Hätte
man da nicht auch mit anderen Namen gerechnet? Mit Krupp? MAN? Beide Unternehmen
hatten früher bereits mit Scherlast- und Tiefladewagen zu tun, MAN
hat bereits in den zwanziger Jahren solche Wagen in Form von Tragschnabelwagen
gebaut. Tatsächlich jedoch hat es wohl in den Dreißigerjahren
so gut wie keine Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen und der
Reichsbahn gegeben. Dass der Name "Krupp" in Verzeichnissen aus den frühen
Fünfzigerjahren nicht auftaucht, mag mit den historischen Gegebenheiten
zusammenhängen. Fakt ist aber, dass weder Krupp noch MAN zwischen
1935 und 1944 Tiefladewagen für die Reichsbahn gebaut haben. Wenigstens
bei den Privat-Tiefladewagen taucht MAN gelegentlich als Hersteller auf.
Dabei findet sich in den Skizzen der MAN-Tiefladewagen über längere
Zeit hinweg immer wieder ein markantes Bauteil: der exzentrisch aufgehängte
Ausgleichshebel. Während bei den LHW-Tiefladewagen-Drehgestellen die
Schakenbolzen und der Lagerbolzen des Ausgleichshebels in einer Ebene liegen,
bilden diese drei Punkte bei den typischen MAN-Drehgestellen ein auf die
Basis gestelltes Dreieck.
5-achsiges, geschweißtes
Drehgestell mit innen gelagerten MAN-Ausgleichshebeln und Rollenschaken
Quelle: Deutsche Bundesbahn,
Arbeitsgemeinschaft für Ausbildungshilfsmittel: Das zwei- und mehrachsigeDrehgestell der Güterwagen. |
Angesichts der Tatsache,
dass die Bundesbahn Anfang der Fünfzigerjahre keinen eigenen MAN-Tiefladewagen
im Bestand hatte, stellt sich die Frage, welchem Wagen dieses Drehgestell
zuzuordnen ist. In Frage kommt eigentlich nur der Wagen Essen 502 580 P
(mit 100 t Tragfähigkeit, nach Skizze 97 ex Essen 510 100), den MAN
1937 für die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) gebaut
hat.
Bemerkenswert sind an diesem
Drehgestell außer den Ausgleichshebeln und den Rollenschaken die
ausgerundeten Kehlen des Untergurts. Unter schweißtechnischen Aspekten
wäre eine winklige Form der Untergurte einfacher auszuführen
gewesen. Denkbar ist, dass bei diesen Drehgestellen die Untergurte nicht
geschweißt sondern gekantet waren.
Schlussbemerkungen
1.
Die Baumuster A bis C dürfen nicht als Stufen einer Entwicklungsfolge
(1935, 1936, 1938) verstanden werden. Sowohl die senkrecht stehenden Federböcke
des Baumusters A als auch die v-förmigen Federböcke des Baumusters
C wurden bereits bei ältenern Blech und Winkel-Drehgestellen verwendet.
Umgeklärt ist, weshalb diese Federböcke/die Baumuster A bis C
auch noch in den späten Dreißigerjahren parallel gefertigt wurden :
Im Jahr 1939 entstanden bei LHW mindestens 4 8-achsige Tiefladewagen: Nürnberg
521 149 (ex Nürnberg 519 229, Tragfähigkeit 100 t, Skizze 146),
DB 980 856, 857 und 860 (115 t Tragfähigkeit, Skizze 302). Der
Wagen nach Skizze 146 entspricht Baumuster C, die Wagen nach Skizze 302
sind dem Baumuster B zuzuordnen.
2. Noch lange nach dem Zweiten
Weltkrieg wurden Tiefladewagen-Drehgestelle nach dem Baumuster C bei verschiedenen
Herstellern (SEAG, MAN) unter anderem auch für "Fahrbare Unterwerke"
nachgebaut. Zumindest teilweise kamen dabei an Stelle der Laschengehänge
Federgehänge mit einfachen Rechteckschaken zum Einsatz.
3. Auf dieser Seite wurden
ausschließlich drei- und mehrachsige geschweißte Drehgestelle
behandelt. Dabei wurde deutlich, dass gerade beim Bau von Tiefladewagen
wesentliche Fortschritte in der Anwendung der Schweißtechnik gemacht
wurden. Es erscheint daher notwendig, sich auch im Zusammenhang mit den
zweiachsigen geschweißten Drehgestellen mit zweiachsigen Tiefladewagen-Drehgestellen
zu befassen.
4. Linke Hofmann Busch in
Salzgitter als Nachfolge-Unternehmen von LHW war offensichtlich erst ab
1953 wieder in der Lage, auch Tiefladewagen zu bauen.
Quellen:
Behrends, Helmut; Hensel,
Wolfgang; Wiedau, Gerhard: Güterwagen-Archiv 1. Länderbahnen
und Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft. Berlin 1989
Behrends, Helmut; Hensel,
Wolfgang; Wiedau, Gerhard: Güterwagen-Archiv 2. Deutsche Bundesbahn
und Deutsche Reichsbahn. Berlin 1989
Carstens, Stefan: Die Güterwagen
der DB AG. Nürnberg 1998
Deutsche Bundesbahn, Arbeitsgemeinschaft
für Ausbildungshilfsmittel: Das zwei- und mehrachsige Drehgestell
der Güterwagen. (= Kleinbildreihe 5/ m 13, 11 Positive und 1 achtseitiges
Begleitheft). 1957
Deutsche Bundesbahn: Verzeichnis
der in den Wagenpark der Deutschen Bundesbahn eingestellten Wagen für
außergewöhnliche Transporte. DV 934. 4. Ausgabe vom November
1953. Minden (Westf.)
Driesch, Peter: Pers. Mitteilungen
Taschinger, Otto: Geschweißte
Tiefladewagen. Nachgedruckt in: Steiger Verlag (Hrsg.): Eisenbahnwagen
in Originaldokumenten: eine internationale Übersicht aus "Organ für
Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung" Teil 3: 1910
- 1943, Text- und Tafelband. Moers, 1986/87; Seite 229 ff.