Güterwagen-Drehgestelle: Drei- und Mehrachsige 1 - Blech und Winkel

Version 3.02.94.1, Stand: 16. April 2015

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Drei- und Mehrachsige 1 "Laschen" - Drei- und Mehrachsige 2 "Schaken" - Drei- und Mehrachsige 3 "Y 25" 

Blech und Winkel - HarkortInnenrahmen, Blech und Winkel - Pressblech, genietet - Geschweißt - Pressblech, geschweißt (Einheitsbauart) - Niesky - Skandinavien


1. Grundlegendes
War bis zu Beginn der Vierzigerjahre der Anteil von vierachsigen Drehgestellwagen am Güterwagen-Gesamtbestand beinahe verschwindend gering, so waren sechs- und mehrachsige Güterwagen stets "Exoten", die als Einzelexemplare oder allenfalls in Kleinstserien gebaut wurden.

Deshalb muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass sich die drei- und mehrachsigen Drehgestelle in Details, aber auch in ihrem Gesamterscheinungsbild zum Teil erheblich unterschieden haben. Alle diese Drehgestelle in ihrer Unterschiedlichkeit zu dokumentieren ist schwierig, da über viele dieser Wagen, insbesondere solche, die als Privatwagen nur werksintern eingesetzt wurden, wenig bekannt ist.

Andererseits findet man in unterschiedlichen Quellen durchaus Informationen zu Tiefladewagen und deren Drehgestellen, die sich in Zusammenhang bringen lassen.

Bei diesen Quellen handelt es sich zum einen um die DV 934 "Verzeichnis der in den Wagenpark der Deutschen Bundesbahn eingestellten Wagen für außergewöhnliche Transporte. 4. Ausgabe vom November 1953". Diese DV wurde 1936 eingeführt. Leider liegt mir weder die Ausgabe von 1936, noch die beiden folgenden Ausgaben vor. Die mir vorliegende Ausgabe von 1953 (mit Nachträgen 1 bis 5 von 1954) enthält nur die seinerzeit bei der Deutschen Bundesbahn eingestellten bahneigenen und Privat-Tiefladewagen. Tiefladewagen, die nach dem Krieg bei anderen Verwaltungen verblieben sind oder abgestellt waren, sind darin nicht enthalten.
Leider sind die Drehgestelle in der DV 934 grundsätzlich nur schematisch dargestellt, genauere Unterscheidungen sind auf dieser Basis allein kaum möglich. Darüberhinaus enthält die DV 934 keinerlei Angaben zu anderen 6-achsigen Wagen, beispielsweise Kesselwagen.

Zum anderen finden sich Angaben zu Tiefladewagen und deren Drehgestellen in Ausgaben der DV 939 d, die vor der Einführung der DV 934, also vor 1936, erschienen sind. Mir liegen Auszüge aus den Ausgaben von 1928 und 1933 (Sammlung Peter Driesch) vor. (Die Angaben zu den Tiefladewagen-Drehgestellen sind auch noch in der Ausgabe von 1948 enthalten. Eine Zuordnung zu den Angaben der DV 934 ist jedoch nur mittels der Daten aus den älteren Ausgaben möglich.)
Zu beachten ist, dass in der DV 939 d (Ausgaben 1928, 1933 und in gewissem Sinne auch 1948) offensichtlich nur ein Teil der Tiefladewagen und deren Drehgestelle enthalten sind - und zwar die stückzahlmäßig bedeutenderen. Viele andere Drehgestelle, insbesondere auch die der Privat-Tiefladewagen sind darin nicht vermerkt.
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2. Zusammenstellung der Tiefladewagen mit drei- und mehrachsigen Blech und Winkel-Drehgestellen
In der Zusammenschau von DV 934 und der DV 939 f , Ausgabe 1933, ergibt sich folgendes Bild:
(Die Angaben zum Achsstand beziehen sich immer auf den Achstand im Drehgestell, die angegebene Skizzennummer auf die DV 934.)

2.1 Genietete Tiefladewagen mit Blech und Winkel-Drehgestellen (belegt)
a)  6-achsige SSt 06, Wagennummer 980 046 bis 048, Hersteller: van der Zypen und Charlier, 1891 und 1900,
    Tragfähigkeit 47250 kg, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser 940 mm (3 Einheiten, Skizze 3)
 
 
Zeichnung dreiachsiges Blech- und Winkel-Drehgestell
  Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell für Plattformwagen der Kgl. Preussischen Staatsbahnen
  Direktion Köln (rechtsrheinisch), Ladegewicht 45 000 kg, Hersteller: van der Zypen und Charlier, 1891;
  Achsstand 1,50 m, Laufkreisdurchmesser 940 mm, mittlere Achse ungebremst

  Zeichnung: Hermann Jahn auf der Basis einer Zeichnungskopie aus der Sammlung Peter Driesch (Darstellung der Federn stilisiert)


  Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell für Plattformwagen der Kgl. Preussischen Staatsbahnen
  Direktion Köln (rechtsrheinisch), Ladegewicht 45 000 kg, Hersteller: van der Zypen und Charlier, 1891;
  Achsstand 1,50 m, Laufkreisdurchmesser 940 mm, mittlere Achse ungebremst

  Zeichnung: Eisenbahnmaschinenwesen der Gegenwart,1. Absch., 2. Teil "Die Wagen ...", 2. Aufl., Berlin 1910 (Slg. Paul Scheller)

 

Zeichnung: Sechsachsiger Plattformwagen der Kgl. Pr. Staatsbahnen, Direktion Köln (rechtrheinisch)
  Plattformwagen der Kgl. Preussischen Staatsbahnen, Direktion Köln (rechtsrheinisch), 
  Ladegewicht 45 000 kg mit dreiachsigen Blech- und Winkel-Drehgestellen (siehe oben)beachte: Gestaltung des Bremsersitzes

  Quelle: Sammlung Peter Driesch

                                                                                                                                 

Ein Foto eines der drei Wagen, noch mit dem altertümlichen Bremsersitz, findet sich in "Klebes, Günther: Die Wagen auf der Eisenbahntechnischen Ausstellung in Seddin (= Eisenbahn und Museen, Folge 28, Karlsruhe 1982), Seite 9 unten rechts).

b)  6-achsige SSt 06, Wagennummer 980 041 bis 042, Hersteller: LHW , 1916 und 1917
    Tragfähigkeit 55 t, Achsstand 1350 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (2 Einheiten, Skizze 2)
    nach DV 939 d, Ausg. 1933: Wagenzeichnung: Ce 187, Drehgestell nach Zeichnung Ci 251 -
    Blech und Winkel, Federn: 11 Blätter, 1000 mm gestreckte Länge, 90 x 13 mm

c)  6-achsige SSt 06, Wagennummer 980 121 bis 126, Hersteller: Waggonfabrik Gotha, 1924
    Tragfähigkeit 53 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser 940 mm (6 Einheiten, Skizze 21)
    nach DV 939 d, Ausg. 1933: Wagenzeichnung: Ce 137 a, Drehgestell nach Zeichnung Ci 163 -
    Blech und Winkel, Federn: 11 Blätter, 1000 mm gestreckte Länge, 90 x 13 mm

d)  6-achsige SSt 06, Wagennummer 980 131 bis 140, Hersteller: LHW, Beuchelt, Wismar, Hanomag, Görlitz, 1924/25
    Tragfähigkeit 55 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (10 Einheiten, Skizze 22)
    nach DV 939 d, Ausg. 1933: Wagenzeichnung: Ce 187 a, Drehgestell nach Zeichnung Ci 163 -
    Blech und Winkel, Federn: 11 Blätter, 1000 mm gestreckte Länge, 90 x 13 mm

    3-achsige Blech und Winkel-Drehgestelle nach Zeichnung Ci 163 wurden (lt. DV 939 d, Ausg. 1933) außerdem unter
    Tiefladewagen nach Zeichnung Cf 70 a verwendet (Tragfähigkeit 63 t, Länge über Puffer 19,3 m, Abstand der
    Drehpfannenbolzen 12,0 m, erstes Baujahr 1911).
 

2.2. Genietete Tiefladewagen, vermutlich mit Blech und Winkel-Drehgestellen (jedoch nicht näher belegt)
a)  6-achsiger SSt 06, Wagennummer 980 116, Hersteller: Gotha, 1909
     Tragfähigkeit 63 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (1 Einheit, Skizze 14)

b)  6-achsiger Privat-Tiefladewagen Essen 504 750 P, Einsteller: Ruhrstahl AG, Hattingen/Ruhr,
    Hersteller: Baume et Marpent (B), 1910
    Tragfähigkeit 52 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser 1000 mm (Skizze 91)

c)  6-achsiger Privat-Tiefladewagen Karlsruhe 547 081 P, Einsteller: Brown Boveri & Cie, Mannheim,
    Hersteller: Fuchs, 1911
    Tragfähigkeit 63 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (Skizze 111)

d)  6-achsiger Privat-Tiefladewagen Köln 537 625 P, Einsteller: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke,
    Essen, Hersteller: Orenstein und Koppel, 1915
    Tragfähigkeit 56,7 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (Skizze 121)

e)  12-achsige Privat-Tiefladewagen München 516 500 P und Nürnberg 521 030 P,
    Einsteller (beider Wagen): Bayernwerk AG, Hersteller: MAN, 1921 und 1923
    Tragfähigkeit 110 t, Achsstand 1400 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (Skizze 143)
    Wagen München 516 500 P war 1924 in Seddin ausgestellt (Abbildungen in Gottwaldt und Klebes,
    s. Literaturverzeichnis), soweit auf den Abbildungen erkennbar hatten die Drehgestelle Ausschnitte (als
    Bremsschaulöcher?) in den Seitenwangen, die Federn könnten mit Schlaufen aufgehängt gewesen sein

f)  12-achsiger Privat-Tiefladewagen Essen 501 241 P, Einsteller: AEG Transformatorenwerk Mülheim/Ruhr,
    Hersteller: AEG Mülheim/Ruhr, 1923
    Tragfähigkeit 100 t, Achsstand 1230 mm, Laufkreisdurchmesser nicht angegeben (Skizze 67)

g)  6-achsige SSt 06, Wagennummer 980 161 bis 163, Hersteller: LHW, 1934
    Tragfähigkeit 55 t, Achsstand 1500 mm, Laufkreisdurchmesser 940 mm (3 Einheiten, Skizze 22a)
    Bei diesen drei Wagen scheint es sich um einen in Details veränderten Nachbau der Wagen nach Skizze
    22 zu handeln (Baujahr 1924/25).
    Laut Taschinger hat LHW im Jahr 1934 außerdem mindestens einen 6-achsigen Tiefladewagen mit 80 t
    Tragfähigkeit gebaut (Drehzapfenabstand: 15,8 m - gegenüber 12,8 m bei den Wagen nach Skizze 22a).
    Ein entsprechender Wagen ist in der DV 934 auf Skizze 96 zu finden. Dort ist als Baujahr 1938 angegeben
    und die Drehgestelle sind, soweit erkennbar der geschweißten Bauart zuzurechnen.
 

3. Andere Blech und Winkel-Drehgestelle oder: Die Sache mit den Federböcken
Während zu den vorgenannten, in den DV 934 und 939 d vermerkten Tiefladewagen und -Drehgestellen bislang keine Fotos aufgetaucht sind, liegen mir Fotos von Tiefladewagen (bezeihungsweise deren Drehgestellen) vor, die - da sie im Bestand der (ost-)Deutschen Reichsbahn waren - keinem der beiden Verzeichnisse genannt sind.

Diese Fotos zeigen nun aber nicht nur weitere Ausführungen von Blech und Winkel-Drehgestellen, sondern belegen darüberhinaus markante Bauformen von Federböcken.

Zunächst liegt es nahe anzunehmen, dass die Bauform von Federböcken von der Art des Federgehänges abhängig ist. Zum zweiten wird man annehmen können, dass ein Hersteller - gerade bei Spezialanfertigungen wie Tiefladewagen bei denen Aspekte der Großserienfertigung keine besondere Rolle spielen - vielleicht eine "hauseigene" Federbock-Bauform entwickelt, die eventuell eine Art Markenzeichen darstellen könnte.

Die beiden im folgenden vorgestellten Drehgestelle weisen denn auch Federböcke auf, die sich zum einen deutlich unterscheiden, die sich zum anderen aber auch bei später gebauten, geschweißten Drehgestellen wiederfinden lassen.
                                                                                                                                  
3.1  Vierachsiges Blech und Winkel-Drehgestell mit senkrecht stehendem Federbock
 
Vierachsiges Drehgestell mit geteilten Federböcken, genietet (Blech und Winkel); Foto: Günter Meyer (Sammlung Driesch)
  4-achsiges Blech und Winkel Drehgestell, gleichmäßiger Achsstand, vermutlich 1500 mm
  mittlerer Federbock geteilt, senkrecht an der Unterkante der Seitenwange angreifend  Ausgleichshebel innen gelagert, Halterung U-förmig

  Tragschnabelwagen DR SSt 66-36-02; Foto: Günter Meyer, Aue (Sammlung Peter Driesch), 1963, Zwönitz

Leider ist bislang der Hersteller dieses Wagens und es Drehgestells nicht bekannt.
Die Bauform der Federböcke entspricht dem Baumuster A der geschweißten (Tiefladewagen-)Drehgestelle.

                                                                                                                                   

3.2 Fünfachsiges Blech und Winkel-Drehgestell mit v-förmigen Federböcken
 
5-achsiges Blech und Winkel-Drehgestell, SKET 1093, Foto: Holger Viebke
  5-achsiges Blech und Winkel-Laufwerk (ursprünglich: Drehgestell)
  innere Federböcke: verbunden, v-förmig am unteren Rad der Seitenwangen angreifendAusgleichshebel innengelagert, Halterung T-förmig
  beachte: FederanschlagAchsstand vermutlich 1350mm, 1210 mm, 1210 mm, 1350 mm

  SKET Magdeburg 1093, museal erhalten beim Eisenbahnverein "Hei Na Ganzlin" e. V. Foto: Holger Viebke, Ganzlin, Sommer 2002

An dem oben abgebildeten 5-achsigen Drehgestell fallen der ungleichmäßige Achsstand und die festen, inneren Federböcke auf. Die Federböcke ähneln entsprechen mit ihrer winklingen Form auffällig den festen, geschweißten Federböcken des Baumusters C.

Die DV 934 von 1953 verzeichnet (wohlgemerkt für den Bereich der DB, es ist also recht unwahrscheinlich, dass sich darunter auch der Wagen befindet, dem das Magdeburger SKET-Drehgestell zuzuordnen wäre) immerhin sechs Skizzen von fünfachsigen (Privat-) Tiefladewagen mit Achsständen von 1350 beziehungsweise 1210 mm.

a)  Skizze 112: Karlsruhe 547 082, Einsteller: Brown Boveri & Cie, Mannheim, Hersteller: Fuchs, 1922
b)  Skizze 116: Köln 537 624 (ex Köln 536 360), Einsteller: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke,
     Essen, Hersteller: MAN, 1923, Foto s. "Uebel, Lutz; Richter, Wolfgang D. (Hrsg.): 150 Jahre Schienenfahrzeuge
     aus Nürnberg. Freiburg 1994", Seite 213
c)  Skizze 116a: Köln 537 622 (ex Köln 536 144), Einsteller: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke,
     Essen, Hersteller: MAN, 1923/1943, Foto s. "Fuhlberg-Horst, John: Die Eisenbahn im Bild. Eine Bilderreihe aus
     aller Welt. Dritte Folge. (Reihe: Wunder der Technik)  Stuttgart, 1925", Seite 53
d)  Skizze 123: Köln 537 627, Einsteller: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke,
     Essen, Hersteller: LHW, 1920
e)  Skizze 124: Köln 537 628, Einsteller: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke,
     Essen, Hersteller: LHW, 1920 (Brücke: MAN 1935)
f)   Skizze 142: Nürnberg 521 147, Einsteller: Siemens-Schuckertwerke, Nürnberg, Hersteller:
     Dortmunder Bergwerks- und Hütten AG, 1923

Keinem dieser Wagen mit Sicherheit zuzuordnen ist das Foto eines 10-achsigen Tiefladewagens, das sich unter anderem in
"Fuhlberg-Horst, John: Die Eisenbahn im Bild. Eine Bilderreihe aus aller Welt. Dritte Folge. (Reihe: Wunder der Technik)  Stuttgart, 1925", auf Seite 53 abgedruckt findet: Essen 602 887 P, Einsteller: Fried. Krupp. Die Drehgestelle dieses Wagens entsprechen vor allem in der Ausführung der Federböcke in geradezu überraschender Weise dem oben gezeigten Drehgestell. Dabei dürfen aber auch die Unterschiede nicht übersehen werden: Die Federanschläge haben keine Dämpfer und die Kanten der Seitenwangen sind im unteren Bereich deutlich ausgerundeter.
 
 
10-achsiger Tiefladewagen mit Blech und Winkel-Drehgestell, Essen 602 887 P, Werkfoto: Krupp
  10-achsiger Tiefladewagen Essen 602 887 P, Ladegewicht: 105 t, Einsteller Fried. Krupp

  Foto: Werkfoto Friedr. Krupp, Repro: Hermann Jahn (Quelle: Fuhlberg-Horst, John: Die Eisenbahn im Bild. 
  Eine Bilderreihe aus aller Welt. Dritte Folge. <Reihe: Wunder der Technik>  Stuttgart, 1925, Seite 53

Das obengezeigtes 5-achsige SKET-Laufwerk ist offensichtlich keinem der hier genannten Wagen zuzuordnen. Dennoch weisen das SKET-Laufwerk, die in Skizze 124 erkennbaren LHW-Drehgestelle und der Krupp'sche "Essen 602 887" eine beachtliche Anzahl von Gemeinsamkeiten auf. Darüberhinaus ist zu berücksichtigen, dass beide Federbock-Bauformen in den Dreißigerjahren von LHW bei geschweißten (Tiefladewagen-)Drehgestellen parallel gebaut wurden.

Eine plausible Erklärung habe ich bislang dafür nicht. Äußerst spekulativ ist in diesem Zusammenhang die Hypothese, dass Krupp in den Zwanzigerjahren den Bau von Tiefladewagen an LHW übertragen hat - im Gegenzug zum Übertrag des Lokomotivbau-Kontingents von LHW an Krupp. Als Fakt kann gelten, dass Krupp zu Länderbahnzeiten einer der bedeutendsten Hersteller von Tiefladewagen war - gleichwohl aber in der DV 934 (von 1953) überhaupt nicht in Erscheinung tritt.
 

4. Jüngere Blech und Winkel-Drehgestelle
Zwischen 1938 und 1942 wurden bei drei Herstellern (Talbot, Fuchs, Waggonfabrik Dessau) eine insgesamt relativ große Anzahl sechsachsiger Chemie-, Druckgas- und Teerkesselwagen gebaut, von denen einige bis in die Achtzigerjahre in Betrieb waren. Jedes der am Bau dieser Wagen beteiligte Unternehmen verwendete eigene Drehgestell-Konstruktionen. Der weitaus größten Anteil dieser sechsachsigen Wagen wurde von Fuchs gebaut. Bei Talbot entstand nur eine Serie mit etwa 10 bis 15 Exemplaren.
Grundsätzlich würde man von Drehgestellen, die zu dieser Zeit gebaut wurden, erwarten, dass es sich dabei um Schweißkonstruktionen handelt. Ähnlich jedoch wie bei den zweiachsigen Drehgestellen wurden diese dreiachsigen Drehgestelle als genietete Blech und Winkel-Konstruktionen ausgeführt. Vergleicht man das Drehgestell des preußischen Plattformwagens von 1891 mit dem Drehgestell der ab 1939 bei Fuchs gebauten Chemie-Kesselwagen, findet man überraschend wenig Unterschiede.

Bauart Talbot 1938
  Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell für Druckgas-Kesselwagen, Talbot 1938
  Laufkreisdurchmesser ? mm, Achsstand (gesamt) 3200 mm, 6-lagige Federn

  Hoechst, DB 556 314 P, Foto: Joachim Claus (Ausschnitt aus Wagenfoto), Slg. Harald Westermann


Bauart Fuchs 1939
Dreiachsig, Blech und Winkel (genietet), Foto: Peter Driesch
  Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell für Chemie-Kesselwagen, Fuchs, 1941
  Laufkreisdurchmesser 940 mm, Achsstand (gesamt) 2900 mm, 11-lagige Federn

  Foto: Peter Driesch, 1985


 
Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell, Detailansicht; Foto: Peter Driesch   Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell
  für Chemie-Kesselwagen, Fuchs 194110-lagige Federn

  Foto: Peter Driesch, Hamburg Wilhelmsburg, August 1976

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Bauart Dessau 1940
Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell mit rechteckigen Ausschnitten; Foto: Peter Driesch   Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell für 
  Chemie-Kesselwagen, Waggonfabrik Dessau 1941;
  mit rechteckigen Ausschnitten

  Hoechst, 20 80 006 3 264-5
  Foto: Peter Driesch, 1984 (Ausschnitt aus Wagenfoto)


 
Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell Bauart Dessau; Foto: Harald Westermann
  Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell Bauart Dessau, Waggonfabrik Dessau 1941
  Laufkreisdurchmesser 940 mm, Achsstand (gesamt) 3000 mm, 10-lagige Federn. 
  Ausgleichshebel zwischen erster und zweiter Achse von links, fester Federbock zwischen zweiter und dritter Achse

  Foto: Harald Westermann


 
Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell Bauart Dessau, Foto: Sammlung Harald Westermann
  Dreiachsiges Blech und Winkel-Drehgestell Bauart Dessau, Waggonfabrik Dessau 1941.
  Fester Federbock zwischen erster und zweiter Achse von links, Ausgleichshebel zwischen zweiter und dritter Achse.

  Foto: Sammlung Harald Westermann

Peter Driesch weist darauf hin, dass mit den Chemie-Kesselwagen Natronlauge zur Herstellung von Aluminium (Flugzeugbau) transportiert wurde. Die Druckgas-Kesselwagen sind seinen Angaben zufolge Chlor(gas)-Kesselwagen.

Quellen:
Deutsche Bundesbahn: Verzeichnis der in den Wagenpark der Deutschen Bundesbahn eingestellten Wagen für außergewöhnliche Transporte. DV 934. 4. Ausgabe vom November 1953. Minden (Westf.)
Deutsche Reichsbahn: Merkbuch für die Fahrzeuge. IV. Wagen (Regelspur) DV 939d, Teil A,  Ausgabe 1933 (kopierte Auszüge ohne Titelblatt, bibliograph. Angaben nicht gesichert)
Deutsche Reichsbahn: Merkbuch für die Fahrzeuge. IV. Wagen (Regelspur) DV 939d, Teil A,  Ausgabe 1928 (kopierte Auszüge ohne Titelblatt, bibliograph. Angaben nicht gesichert)
Fuhlberg-Horst, John: Die Eisenbahn im Bild. Eine Bilderreihe aus aller Welt. Dritte Folge. (Reihe: Wunder der Technik). Stuttgart, 1925
Gottwaldt, Alfred B.: Eisenbahntechnische Ausstellung Seddin 1924. Stuttgart 1985
Klebes, Günther: Die Wagen auf der Eisenbahntechnischen Ausstellung in Seddin (= Eisenbahn und Museen, Folge 28, Karlsruhe 1982)
Taschinger, Otto: Geschweißte Tiefladewagen. Nachgedruckt in: Steiger Verlag (Hrsg.): Eisenbahnwagen in Originaldokumenten: eine internationale Übersicht aus "Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung" Teil 3: 1910 - 1943, Text- und Tafelband. Moers, 1986/87; Seite 229 ff.
Uebel, Lutz; Richter, Wolfgang D. (Hrsg.): 150 Jahre Schienenfahrzeuge aus Nürnberg. Freiburg 1994
Westermann, Harald: Persönliche Informationen zu sechsachsigen Kesselwagen

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