Güterwagen-Drehgestelle: Parabelfeder - WU 74 (DB BA 666, 665 - P66)

Version 2.03.98.1, Stand (Inhalt): 19. Juli 2011, (Red.: 22. Mai 2017)

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1. Prototyp (Bauart 665, 1. Belegung)  - 2. Vorserie: Bauart 666 - 3. Serienausführung: Bauart 665, 2. Belegung - 4. Sonderausführungen - Daten  

Verwandtes Thema: Dreiachsige, Trapezschaken/Parabelfeder P66

 

1. Prototyp (Bauart 665, 1. Belegung)
1974 entwickelte die Waggon Union in Siegen unter der Zeichnungsnummer 0-533.04.0042/DB 665 ein erstes Parabelfeder-Drehgestell. In einer für das BZA Minden, Dezernat 25, erstellten Dokumentation ist dieses Drehgestell so beschrieben:
 
Das hier beschrieben Güterwagen-Drehgestell stellt eine Weiterentwicklung des DB-Drehgestells 661 (S-Bremse) und 664 (SS-Bremse) dar. Die derzeitigen Betriebsbedingungen machten einen Weiterentwicklung der Drehgestelltypen 661 und 664 erforderlich, wobei insbesondere die nachstehenden Bedingungen Berücksichtung finden sollten:
a) stabiler Radsatzlauf, auch bei geringen Radlasten wie sie durch den erforderlichen Güterwagenleichtbau auftreten und bei Geschwindigkeiten über 130 km/h,
b) geringer Radverschleiß zwischen Rad und Schiene durch in der Bogenfahrt einstellbare Achsen,
c) maximal zulässige Achsfahrmasse von 22 t, zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Wagen die durch Einführung der automatischen Kupplung ebenfalls gewährleistet sein soll,
d) größere Dauerferstigkeit des Drehgestelllrahmens trotz der vorgenannten höheren Forderungen,
e) besseres vertikales Laufverhalten durch Anwendung einer zweistufigen Feder mit gleichzeitiger Erhöhung der Laufsicherheit durch die dadurch gewonnene größere Verwindungsweichheit,
f) so weit wie möglich Weiterverwednung der bisherigen Tauschteile wie Achslager, Radsätze, Federschaken und -bolzen, Bremsdreiecke, Bremstraversen, Bremshebel, Bremshebelverbinder.
Die bisherigen Erfahrungen mit den Drehgestellen 661 und 664 sind bei der Konstruktion dieses Drehgestells voll berücksichtigt worden. Das Drehgestell entspricht 100 %ig dem UIC-Markblatt 510/Tafel 4, die Hüllkurve dieses Drehgestells leigt für den AK-Bereich und für den Langträgerbereich im Kopfstück wesentlich unter den Standardhüllkurven der anderen bekannten Drehgestelltypen.

Laufwerk
Das Laufwerk dieses Drehgestells besteht aus zwei Standardradsätzen der Bauart 80 mit 920 mm Laufkreisdurchmesser und vier UIC-Standard-Rollenachslagern der Bauart 88 mit vier Blatt-Tragfedern, die als reibungsarme zweistufige Parabelfedern mit einem Augenabstand von 1100 mm vorgesehen sind. Die Federschaken, die sich hängend in den Parabelfederaugen abstützen sind so ausgelegt, dass sie aufgrund ihrer großen Querpendellänge einen überkritischen Lauf bereits bei kleinen Geschwindigkeiten erreichen, durch die verhältnismäßig kurze Längspendellänge jedoch ist eine härtere Achsführung in Längsrichtung gegeben, wodurch der stabeile Fahrbereich auch in höhere Geschwindigkeiten gelegt werden kann.
Durch dynamische Schwingversuche wurde diese Schakenaufhängung als Optimum für die hier gegebenen Forderungen ermittelt, Zeichnung 1-VZ-521.0137 (Anlage 1 - Anm. d. Red.: diese Anlage liegt nicht vor).
Das Drehgestell ist umspurfähig auf 1524 mm Spur, es können Radsätze bis zu einem Laufkreisdurchmesser von min. 820 mm Anwendung finden.
Die Prototypen dieser Drehgestelle sind in den Federbockbereichen so ausgelegt, dass auch ein ineinandergeschachteltes Doppelschakengehänge Zeichnung 1-VZ-533.0028 (Anlage 2 - Anm. d. Red.: diese Anlage liegt ebenfalls nicht vor) versuchsweise Anwendung finden kann. Die Federbockanordnung kann in der Serie vereinfacht werden.
Die Federbolzen und die oberen Schakensteine entsprechen der Standardausführung des DB 661/664.

Drehgestellrahmen
Das System des Drehgestellrahmens wurde basierend auf den jetzt vorliegenden Erfahrungen und unter Berücksichtigung der erforderlichen Freiheiten für den AK-Einbau und für den Einbau der SS-Bremse im Drehgestell ausgelegt. Die Bestimmungen zur Festigkeit des Rahmens wurden ermittelt duch umfangreiche Rechenprozesse in einem Großrechner und berücksichtigen eine Vielzahl von Lastfällen.
Zu Gunsten der Verwindungsweichheit wurde auf die Anwendnung von Hohlquerschnitten grundsätzlich verzichtet.
Der zur Anwendung kommende Werkstoff, inbesondere im Schweißbereich ist St 37, der eine größere Kerbunempfindlichkeite bietet wie der bisher zur Anwendung gekommene St 52.
Durch die Ausbildung einer steifen Schubebene am Untergurt des Drehgestellrahmens ist eine bessere Überleitung der Seitenkräfte der Achslagerführung in die Drehpfanne und damit Ableitung in den Wagen gegeben.
Besondere Beachtung wurde bei der Konstruktion des Drehgstellrahmens eine einfachen und schnellen Wartung in den Betriebswerkstätten gegeben.
Die unterschiedliche Situation, die sich bei der Gestaltung der Untergstell-Kopfstücke und beim Einbau der AK-Teile bei den verschiedenen Drehgestellarten ergibt ist, in der Zeichnung 9-VZ-522.0204 (Anlage 3 - Anm. d. Red.: diese Anlage liegt nicht vor) ersichtlich.

Bremse nach Zeichnung 0-533.07.0001 
(Anlage 4 - Anm. d. Red.: diese Anlage liegt nicht vor)
Das Drehgestell ist ausgerüstet mit einer vollständig im Rahmen eingebauten SS-Bremse nach den Vorschriften der UIC. Die Doppelbremsklötze sind in Gegenklotzanordnung mit den entsprechenden Bremstraversen versehen. Innerhalb des Drehgestellrahmens sind leicht zugänglich der Bremszylinder, das RLV-Ventil und der Gestängesteller eingebaut. Die wesentlichen Teilde des Bremsgestänges entsprechen der Standardausführung des Drehgestells 664. Der hier zur Anwendung kommende Zylinder ist eine gekürzte Ausführung, die in Zukunft serienmäßig Anwendung findet. 
Wahlweise kann dieses Drehgestell ebenfalls in SS-Bremsausführung, jedoch mit Druckluftbremse im Untergestell ausgeführt werden. Eine entsprechende Darstellung ist in der Zeichnung 0-VZ-533.0045 (Anlage 5 - Anm. d. Red.: diese Anlage liegt nicht vor) wiedergegeben.
Selbstverständlich kann dieses Drehgestell auch in S-Bremsausführung in vereinfachter Form gefertigt werden, wobei der vereinfachte Drehgestellrahmen mit einer anderen Bremsaufhängung ausgeführt ist.

Dieser Dokumentation sind außerdem drei Werkaufnahmen beigegeben. Leider liegen mir diese nur in einer nicht mehr reproduzierbaren Qualität vor. Erkennbar ist in diesen Aufnahmen, dass mindestens die Seitenwangen in weiten Teilen der späteren Ausführung (BA 666, BA 665) entspricht. Die Federböcke sind in Schweißausführung gefertigt und noch nicht in die Untergurt-Schubkästen integriert. Sowohl die mittigen als auch die äußeren Schub-Kästen sind ebenso wie die Seitenwangen-Stehbleche und die Kopfquerträger - "WU-typisch" - Pressblech-Bauteile.
Die Parabelfedern sind mit zwei Schraubbügeln zusammengebunden. Der Drehgestellrahmen weist ferner zwei federnde seitliche Gleitstücke auf.
                                                                                                                                    (Top)

2. Vorserie: BA 666
1976 wurde auf dieser Grundlage das Drehgestell der Bauart 666 für eine Radsatzlast von 22.5 t entwickelt, in 24 Exemplaren gebaut und unter Wagen der Bauarten Fals 175, 179 und 180 erprobt.
 
Drehgestell Bauart 666, Draufsicht; Skizze: DB DV 939 Drehgestell Bauart 666, Seitenansicht; Skizze: DB DV 939

 

  Drehgestell BA 666
  (Bremsbauteile in der Draufsicht grau gefärbt)

   Quelle: DV 939/5 (B 14), Okt. 78 (bearbeitet)

 

Wie der Prototyp haben auch die Vorserien-Drehgestelle der Bauart 666 federnde Gleitstücke. Die Federböcke entsprechen dagegen -soweit aus diesen Skizzen erkennbar - bereits der späteren Serienausführung. Bemerkenswert ist die Ausführung der Bremsanlage, der Radsatzlager-Gehäuse und damit in Zusammenhang stehend die Ausführung der inneren Radsatzlagerführungen. Eine Erklärung für diese eigenartige Ausführung habe ich bisher nicht, sollte es sich dabei um eine Konsole für ein Wiegeventil handeln, wäre diese nur an einem (von acht) Radsatzlagergehäusen erforderlich gewesen.
                                                                                                                                    (Top)

3. Serienausführung: Bauart 665 (2. Besetzung)
Ab 1980 wurde dieses Drehgestell in Serie gefertigt. Die Serienausführung ist mit einem veränderten, jedoch relativ konventionell erscheinenden Bremsgestänge und mit festen seitlichen Gleitstück ausgestattet.
 
Drehgestell Bauart 665, Seitenansicht; Foto: Hermann Jahn   Drehgestell BA 665
  (DB Snps 719, 31 80 472 3 242-2, 
   Hameln, 21. Aug. 2001, Foto: Hermann Jahn)

 
Drehgestell Bauart 665, Schrägansicht; Foto: Hermann Jahn   Drehgestell BA 665
  beachte: geschmiedete Verstärkungen an den
  inneren Bremsschaulöchern
  (DB Snps 719, 31 80 472 3 883-3, 
   Hameln, 22. Aug. 2001, Foto: Hermann Jahn)

 
Drehgestell Bauart 665, Details; Foto: Hermann Jahn
  Drehgestell Bauart 665, Trapezschaken, Schakensteine, Federböcke, Schubkästen, Radsatz-Halterstege,
  Verstärkungen dern Bremsschaulöcher (eingepresste Kante außem, eingeschweißtes Schmiedeteil innen)

  (DB Snps 719, 31 80 472 3 883-3, Hameln, 22. Aug. 2001, Foto: Hermann Jahn)


 
Drehgestell Bauart 665; Werkfoto Waggon Union   Drehgestell BA 665

   Werkfoto Waggon Union
 


 
Drehgestell Bauart 665, Seitenansicht; Skizze: Waggon Union   Drehgestell Bauart 665
  Serienausführung

  Quelle: 
   Waggon Union GmbH, Prospektblatt "Zweiachsiges 
   Güterwagendrehgestell für 22 t Radsatzlast Bauart 665". 
   Berlin/Netphen o. J

Der Rahmen ist eine auf Pressblechbauteilen (Seitenwangen-Stehbleche, Schubkästen mit integrierten Federböcken, Deckbleche, Kopfquerträger ...) basierende, mit geschmiedeten Teilen in einigen Bereichen verstärkte (Achsführungen, Kanten der inneren Bremsschaulöcher, Obergurtverstärkungen in den nach oben gewinkelten Bereichen) Schweißkonstruktion, die nur einen geringen Anteil unverformter Flachbleche und einfacher Profilteile aufweist. Die Forderung, Breitspur-Radsätze aufnehmen zu können und die dafür benötigten Freiräume führten zu einer aufwändig herzustellenden Rahmenbauform.

4. Sonderausführungen
Drehgestell Bauart 665 VR, Seitenansicht; Skizze: Waggon Union   Drehgestell BA 665 VR mit 1524 mm Spurweite,
  Wiegeventil WM 10 (andere Drehgestellseite), 12" Bremszylinder,
  Feststellbremse - entwickelt 
 für den schweren Kohle- und Erztransport in 
  Finnland

   Quelle: Waggon Union GmbH, Prospektblatt  "Güterwagen-
   Drehgestell mit 2 Radsätzen Bauart 665 VR für 22,5 t 
   Radsatzlast mit 1524 mm Spurweite". Berlin/Netphen o. J.


 
Drehgestell entsprechend Bauart 665, mit integrierter Bremsanlage, Wiegeventil und Reibungsklammern; Werkfoto Waggon Union   Drehgestell, entsprechend Bauart 665
  mit integrierter Bremsanlage, Wiegeventil
  Reibungsklammern und federnden Gleitstücken

  Werkfoto Waggon Union
  Waggon Union GmbH, Prospektblatt "Güterwagen-Drehgestell
  mit 2 Radsätzen Bauart 665 mit eingebauter 10"/12" Bremse". 
  Berlin/Netphen o. J.


 
  Drehgestell, entsprechend Bauart 665
  mit integrierter Bremsanlage

  Skizze: Waggon Union
  Waggon Union GmbH, Prospektblatt "Güterwagen-Drehgestell
  mit 2 Radsätzen Bauart 665 mit eingebauter 10"/12" Bremse". 
  Berlin/Netphen o. J.

Die beiden vorstehenden Grafiken sind einem vermutlich 1981 veröffentlichten Prospektblatt der Waggon Union entnommen, wobei die Skizze ein Drehgestell ohne Wiegeventil und Reibungsklammern darstellt. Interessant erscheint die Ausführung der Bremsanlage, die in einigen Teilen der der Bauart 666 zu entsprechen scheint. Für die dargestellte Ausführung (mutmaßlich mit Wiegeventil und Reibungsklammern) ist ein Gewicht von 5300 kg angegeben.

Drehgestell entsprechend BA 665, mit federnden Gleitstücken; Fotos: Hermann Jahn
  Drehgestell entsprechend BA 665, mit federnden Gleitstücken

  31 RIV 88 B-B 477 7 734-5 Shimmns Type 3614 B 3; Fotos: Hermann Jahn, Hameln, 18. Juli 2011


 
Drehgestell entsprechend BA 665, mit federnden Gleitstücken und Wiegeventil; Fotos: Hermann Jahn
  Drehgestell entsprechend BA 665, mit federnden Gleitstücken und Wiegeventil
  beachte: Federbock mit Gelenk für Wiegeventil-Ansteuerung aus Blechzuschnitten aufgebaut, kein Pressblech-Bauteil

  31 RIV 88 B-B 477 7 734-5 Shimmns Type 3614 B 3; Fotos: Hermann Jahn, Hameln, 18. Juli 2011

Daten
 Parabelfeder-Drehgestell, Waggon Union   BA 665 1. Bes.   BA 666   BA 665 2. Bes.
  Zeichnungsnummer   0-533.04.0042  2Fwg 175.0.04.000.666  2Fwg 708.0.04.000.665
  Spurweite (umspurbar auf 1520/1524 mm)   1435 mm   1435 mm   1435 mm
  Achsstand   1800 mm   1800 mm   1800 mm
  Bauart der Radsätze   BA 80   BA 002   BA 002
  Bauart der Radsatzlager   BA 88   BA 081   BA 081
  größte zulässige Radsatzlast   22,0 t   22,5 t   22,5 t
  maximaler Laufkreis-Durchmesser   920 mm   920 mm   920 mm
  minimaler Laufkreis-Durchmesser   820 mm   858 mm   858 mm
  Querspiel der Radsätze   ± 23 mm    ± 23 mm    ± 23 mm 
  Längsspiel der Radsätze   ± 6 mm   ± 6 mm   ± 6 mm
  Achsschenkelmittenabstand   2000 mm   2000 mm   2000 mm
  Oberkante der oberen Drehpfanne über SO    880 mm   880 mm   880 mm
  Ausführung der Gleitstücke   federnd   federnd    fest 
  Gleitstück-Oberkante über SO   900 mm   905 mm   900 mm
  Gleitstück-Mittenabstand   1700 mm   1700 mm   1700 mm
  Parabel-Tragfedern (zweistufig)   neg. vorgesprengt   neg. vorgesprengt   neg. vorgesprengt
    Augenabstand/gestreckte Länge   1100 mm   1200 mm   1200 mm
    Anzahl der Federblätter    4 + 1 Stück   4 + 1 Stück   4 + 1 Stück
    Federblattbreite     120 mm   120 mm
  Bremsklötze   Bgu   Bg (?)   Bg
  Höchstgeschwindigkeit   120 km/h   120 km/h  120 km/h
  Durchschnittsgewicht (incl. Radsätze, Bremse)   5150 kg   4890 kg   4700 kg 
  erstes Baujahr  1974   1976    1980

Anmerkung:
Offensichtlich zeigten Privatwagen-Einsteller zunächst nur ein sehr zögerliches Interesse an der Beschaffung von Parabelfeder-Drehgestellen. So hat die Waggon Union noch im Jahr 1980 für private Einsteller unter der Bezeichnung "WU 80" (DB BA 572) eine verstärkte Ausführung des Minden Siegen Drehgestells (vgl. DB BA 661 et. al.) angeboten, die nicht in die Austauschaktion älterer Minden Siegen-Drehgestelle (DB BAen 887, 661 ff.) einbezogen wurde.
 

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