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Vorläufer Hauptseite - Bogenfedern (Leipzig-Dresdner Eisenbahn, 1843) - Belgien, 1844 - Württemberg ( Güterwagen), 1845
Rahmenloses
Eisen-Drehgestell mit undulierenden Federn
Eisener Querträger
("bolster", "lower bolster") mit mittiger
Aufnahme für Drehzapfen ("Bolzen", "Reibnagel",
"pivot"), an beiden Enden zylindrische Nabensitze für
(nicht geschmierte) Traglager und Friktionsrollen. Friktionsrollen
zur seitlichen Abstützung des Wagenkastens. Gusseiserne Traglager
die Blattfedern in der Mitte sattelartig umfassend (Pendellagerung,
etwa wie ein Ausgleichshebel wirkend) mit Halterung für Bolzen zur
Aufhängung der hölzernen Bremsklötze. Radsatzführung durch die
Blattfedern. Achslager an den Enden der Federn verschraubt. Von einer
Plattform per Fuß bedienbare, einseitig innen wirkende Bremse in
einem Drehgestell.
"Jedes dieser Untergestelle besteht
aus zwei Räderpaaren, aus zwei auf deren Achsenbüchsen mit
Schrauben befestigten, starken Federn, welch zugleich den Rahmen
ersetzen und aus einem eisernen Träger, der an beiden Enden auf der
Mitte der zwei Federn ruht und daselbst in gußeisernen Sätteln
festgehalten ist. Der Träger endet an jeder Seite in einem
abgerundeten Zapfen, an welchem eine Friktionsrolle sitzt, und hat in
der Mitte eine runde Öffnung zur Aufnahme eines starken Bolzens,
welcher das Gestell mit dem Oberteil des Wagens in Verbindung setzt
und um welchen dasselbe drehbar ist." [2.1, S. 327] "Die beiden
Friktionsrollen an dem Tragbalken des Untergestells gestatten die
Drehung des Untergestells im horizontalen Sinn um den Reibnagel, und
die Art und Weise, wie der Tragbalken auf den Federn gehalten ist,
erlaubt eine undulierende (wellenförmig, pendelnd - Anm. d. Red.)
Bewegung des Gestells ohne dass der Wagenkasten etwas hiervon
verspürte" [2.2, S. 329]
"Bei den amerikanischen
achträdrigen Wagen sind jedoch häufig die losen Untergestelle ohne
alle Achsgabeln eingerichtet. Jedes der beiden Untergestelle besteht
nämlich aus zwei Räderpaaren, zwei Tragfedern, welche mit den Enden
auf den Achsbüchsen der Räder mittelst Schrauben befestigt sind und
die Achsgabeln ersetzen und aus einem Querträger, welcher aus
gewöhnlichem Eisen besteht und mit beiden Enden auf der Mitte der
beiden Federn ruht, wo er auf eisernen Sätteln festgehalten wird. an
seinen Enden hat dieser Querträger runde Zapfen mit aufgesteckten
Friktionsrollen auf welche sich die Querträger des Wagenkastens
stützen und den letztern vor Seitenschwankungen bewahren. "
(Klinge, Obermaschinenmeister der Mecklenburgischen Eisenbahn,
Schwerin, 1870 in Heusinger [3])
Die K.W.St.E. hat rund 20 Jahre lang diese achträdrigen Güterwagen beschafft. In diese Zeit fiel auch die Umstellung von der "amerikanischen" Steifkupplung auf das "englische Puffer-/Kupplungssystem. Dass sich die konstruktiven Details dieser Wagen während dieser langen Beschaffungszeit verändert haben ist weniger verwunderlich als die Tatsache, dass das Grundkonzept der Drehgestelle bis auf die Vergrößerung des Achsstandes so gut wie unverändert geblieben ist.
Vierachsige
Güterwagen der K.W.St.E. mit Seitenpuffern und Drehgestellen mit
Flacheisentraversen, Quelle: [Mayer, 9, S. 196, 197; Bearb. G-D]
In
Mayers Beschreibung (von 1924) der Drehgestelle erscheinen zwei Aspekte
besonders bemerkenswert:
Die hier erwähnten Flacheisen zur
Verbindung der Achsbüchsen finden sich in ähnlicher Form auch bei
dem von Ghega beschriebenen Personenwagen der Baltimore and Ohio
Railroad. Die Achsbüchsen sind somit nicht mehr fest mit den Federn
verschraubt. Der Achsstand im Drehgestell ist fest und wird nicht
mehr, wie bei den oben beschriebenen Ausführungen durch die
Streckung der Federn bei Belastung verändert. Die Federn müssen
also auf den Traversen bzw. den Achsbüchsen gleitend gelagert
sein. Unbekannt ist, ab wann diese Flacheisen-Traversen bei den
württembergischen Güterwagen-Drehgestelle verwendet wurden.
Zum
zweiten zeigen beide Abbildungen Wagen mit Seitenpuffern, die ab 1860
bei württembergischen Wagen zum Einsatz kamen, es kann sich also
nicht um Zeichnungen der (ersten) Wagen von 1846 und 1847 handeln.
Außerdem ist der Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der
Güterwagen-Drehgestelle gegenüber denen der Personenwagen so
zu
verstehen, dass diese einerseits archaisch anmutende, andererseits aber
komplett aus Eisenteilen bestehende und somit doch moderne
Konstruktion bei allen achträdrigen
württembergischen Güterwagen verwendet wurde.
Verwendung:
a)
Amerikanischer Muster-Güterwagen [4, S. 85]
b) Achträdrige
geschlossene Güterwagen, K.W.St.E. Litera F
c) Achträdrige offene
Güterwagen, K.W.St.E. Litera G (Niederbordwagen) und GS
(Niederbordwagen mit Rungen) [Mühl/Seidel,
6, S. 179 f.]
Historie:
1830 Bei
der Baltimore and Ohio
Railroad ("B &
O") werden jeweils zwei einfache, zweiachsige Flachwagen zum
Transport langen Brückenbalken verwendet.
Zum Transport von
Brenn- und Scheitholz, Heu, leeren Fässern und ähnlichem erhalten
diese "double trucks" flache und gerüstartige
Aufbauten ("cord wood cars", "trussell
cars").
1831 Ross
Winans (1796 - 1877)
wird angestellter Mechaniker bei der B & O. 1834 erhält er ein -
später umstrittenes - Patent auf die verbesserte Konstruktion
achträdriger Eisenbahnwagen.
1835 Winans
liefert - auf Empfehlung des sächsischen Konsuls in den USA - die
zweiachsige Stehkessel-Lokomotive "Columbus" an die
Leipzig - Dresdener Eisebahn Compagnie [11].
1836 Winans übernimmt
zusammen mit einem Mitgesellschafter die Werkstatt der B & O in
Mount Clare. 1841 eröffnet Winans ebenfalls in Mount Clare eine
eigene Werkstatt.
Nachgereichte
Zeichnung (Ausschnitt) des Winans' "Patentwagens",
vermutlich aus dem Jahr 1839 - mit konventionellen
Kastendrehgestellen.
Bildlegende: "References to the annexed
Drawings of Ross Winan's Improvement in the Construction of Cars or
Carriages intended to run on Rail Roads, for which
Letters Patent
were issued dated Oct.r
1st 1834. Fig. 1:
Side View of an Eight-wheel Car, Fig. 2: End View of the same, Fig.
3: Upper and lower bolster detached
from the body and bearing
Carriages. A. A. Represents the body of Car resting on bearing
Cariages B. & C. exhibited at D. D. on pivots equidistant from
the
Wheel of each bearing Carriage. H represents an upper Bolster of
Cast Iron, separated from the Body of the Car with its pivot
coprrsponding with the socket Y
in the lower bolster F, also shown as
separated from the bearing Carriage." Quelle [5]
1838/39 Franz
Anton v. Gerstner
und Ludwig
v. Klein
kommen auf ihrer Studienreise durch Nordamerika in Kontakt mit Ross
Winans.
1844 Ludwig
v. Klein wird Mitglied der württembergischen Eisenbahnkommission.
Mit Karl v. Etzel gibt er ab 1843 die "Eisenbahn-Zeitung"
heraus. Im 3. Jahrgang stellt er in den Nummern 37 und 39
(14. und
28. September 1845) die achträdrigen amerikanischen Wagen vor,
im 4. Jahrgang erscheinen dann in Nummern 38 (20. September 1846)
sein Bericht über die württembergischen
achträdrigen
Transportwagen. Auf Grundlage seiner Erfahrungen und seines
Gutachtens vom 4. Juni 1844 wird in Nordamerika bei Eaton, Gilbert &
Cie ein achträdriger Personenwagen 2. Klasse
und (über Emil
Keßler, Karlsruhe) bei Betts, Pusey & Harlan ein
achträdriger geschlossener Güterwagen bestellt. [9, S. 177, S.
194]
Nordamerikanischer
Gütertransportwagen - mit rahmenlosen Drehgestellen. Während die
Verwandtschaft des Wagenkastens mit dem Winans' Wagen
unverkennbar
ist, ist die Herkunft der Drehgestelle nicht eindeutig geklärt. Quelle [1.1]
1845 Klein
beantragt, dass die Herstellung von 62 Wagen, die für den
Bahnbetrieb zwischen Esslingen, Stuttgart und
Ludwigsburg erforderlich sind, unter Aufsicht der Kgl.
Eisenbahnkommission stattfinde. [6]
Am 25. April bestellt die
Kommission unter anderem 2 vierachsige offene Güterwagen bei der
Firma Winkens & Co, Halle/Saale [9, S. 178, berichtigt in: 6,
S. 171]. Als Subunternehmer vor Ort fungierten
die Stuttgarter
Kutschen- und Wagenbauer Starker und Münch [10, S. 136]. Als
"Richtschnur" werden Winkens & Co. "Detailzeichnungen,
offenbar nach den amerikanischen Musterwagen hergestellt,
geliefert"
vgl. [9, S. 178].
Am 22. Oktober wird der Betrieb auf der Strecke
Cannstatt - Untertürkheim aufgenommen.
1846 Am 23. März wird
die Aktiengesellschaft "Maschinenfabrik Esslingen" gegründet.
[8, S. 221]
Mit Datum vom 29. Juli wird die unter anderem
Beschaffung von insgesamt 5 (3 geschlossene, 2 offene) achträdrigen Güterwagen zur
Lieferung zwischen Mai und August 1847 ausgeschrieben. [1, S.
60]
1850 Mit Datum vom 3. Januar wird die unter anderem
Beschaffung von insgesamt 28 achträdrigen Güterwagen (davon
25 geschlossene und 3 offene) zur Lieferung im Frühjahr 1851
ausgeschrieben [1, S. 61]
1853 Laut VDEV Statistiken [7]
verfügt die K.W.St.E. über 392 Güterwagen, davon 80 bedeckte und
41 offene (insgesamt 221) achträdrige Güterwagen, dies entspricht
einem Anteil von rund 56 %.
1860 Die K.W.St.E. beginnen mit
der Umstellung auf das "englische" Kupplungssystem mit
Schraubenkupplung und Seitenpuffern. [6, S. 171]
1865 Die
Anzahl der achträdrigen Güterwagen beträgt lt. VDEV nun 481, davon
355 bedeckte und 126 offene. Bei insgesamt 1695 Güterwagen
betrug der Anteil der achträdrigen jedoch nur noch rund 28 Prozent.
1873 Die Anzahl
der achträdrigen Güterwagen ist lt. VDEV auf 342 (von insgesamt
3706 Güterwagen) zurückgegangen.
Quellen:
[1]
Klein, Ludwig: Die württembergische Centralbahn von 1845. Band 4.
Die Personen- und Transportwagen amerikanischen Systems. (= Nachdruck
von Beiträgen Kleins in der Eisenbahn-Zeitung. 62 Seiten mit 12
Tafeln), Heidenheim (Verlag Uwe Siedentop), 1987
[1.1] dito, Tafel
1
[2] Etzel, Karl; Klein, Ludwig (Hrsg.): Eisenbahn-Zeitung
(Stuttgart, ab 1843) - Bände ab drittem Jahrgang (1845, ohne Tafeln
und Zeichnungen) *
Klein, Ludwig: Über amerikanische achträdrige
Eisenbahnwagen. Teil 1 (= Eisenbahn-Zeitung, III. Jahr, No. 37, 14.
Sept. 1845; S. 311) *
[2.1] Klein, Ludwig: Über amerikanische
achträdrige Eisenbahnwagen. Teil 2 (= Eisenbahn-Zeitung, III. Jahr,
No. 39, 28. Sept. 1845; S. 327) *
[2.2] Klein, Ludwig: Achträdrige
Transportwagen. (= Eisenbahn-Zeitung, IV. Jahr, No. 38, 20. Sept.
1846; S. 329) *
[3] Heusinger von Waldegg, Edmund: Handbuch
für specielle Eisenbahn-Technik / 2: Bd. 2, Der Eisenbahn-Wagenbau
in seinem ganzen Umfange. (Textband). Leipzig, 1870 *
[3 a] Heusinger
von Waldegg, Edmund: Atlas zu dem Handbuch für specielle
Eisenbahn-Technik. Zweiter Band. Der Eisenbahnwagenbau. XLVII Tafeln.
Leipzig 1870 *
[4] Reden, Friedrich
Wilhelm von: Die Eisenbahnen Deutschlands: statistisch-geschichtliche
Darstellung ihrer Entstehung, ihres Verhältnisses zu der
Staatsgewalt sowie ihrer Verwaltungs- und Betriebs-Einrichtungen /
2,3,[1] = 3. Suppl.: Die württembergischen, die badischen und die
königl. und herzogl. sächsischen Eisenbahnen ; 1. Forts. Berlin
1846 *
[5]
White, John H. jr.: The American Railroad Freight Car. From the Wood
Car Era to the Comming of Steel. John Hopkins University Press.
Baltimore 1993, S. 167
[5 a] White, John H. jr.: The American
Railroad Passenger Car. Part 1. John Hopkins University Press.
Baltimore 1985
[6]
Mühl, Albert; Seidel, Kurt: Die Württembergischen
Staatseisenbahnen. Stuttgart, 1980
[7] Verein Deutscher
Eisenbahn-Verwaltungen: Deutsche Eisenbahn-Statistik für das
Betriebsjahr (1852, 1853, 1855, 1860, 1865, 1870, 1873), Berlin *
[8]
Mayer, Max: Emil
Keßler, ein Begründer des deutschen Lokomotivbaues. (in: Matschoss,
Conrad, Hrsg.: Beiträge zur Geschichte der Technik und Industrie.
Jahrbuch des Vereins
Deutscher Ingenieure, Bd. 14, Berlin
1924,
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/CBUWQBD7VRCALG7UN4UM5OWVXLNMOKDM)
[9]
Mayer, Max: Lokomotiven, Wagen und Bergbahnen. Geschichtliche
Entwicklung in der Maschinenfabrik Eßlingen seit dem Jahre 1846.
Berlin, 1924 (online:
http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/36-A-99)
[10]
Röder, Rudolf: Carl von Etzel und Ludwig Klein. Württembergs
Eisenbahnpioniere und ihr Wirken in aller Welt. Heidenheim 2016
[11]
Wikipedia Eintrag zum Stichwort "LDE
– Columbus" (https://de.wikipedia.org/wiki/LDE_-_Columbus,
abgerufen am 21. Dezember 2016)
*)
auch online verfügbar: BSB München,
https://opacplus.bsb-muenchen.de/metaopac